Das Haus der Tänzerin
traditionellsten Hippie an der Westküste Amerikas ausgesucht habe. Meine Beziehungen waren eine Katastrophe, aber wir haben das Beste daraus gemacht, glaube ich, du und ich, wir haben unsere Familie gemacht.
Ich frage mich, ob Freya mit dir über mich gesprochen hat, jetzt, wo ich nicht mehr da bin? Ich hatte seit Jahren Zweifel, aber Freya hat sie immer entkräftet. Ich glaube, sie wollte mich schützen, auf eine irrige Art und Weise. Ich hatte nie das Gefühl, irgendwo hinzugehören, Em, ich habe mich nie richtig zu Hause gefühlt. Es ist, als würde mir etwas fehlen, das ich nie gekannt habe. Vielleicht wird sie dir mehr erzählen. Vielleicht kannst du das Geheimnis unserer Familie eines Tages lüften. Mir bleibt keine Zeit mehr. Vielleicht ist das die erste Lektion – im Leben sind die Familien, die man sich schafft, anscheinend nicht immer blutsverwandt. Ich hoffe, du findest die Wahrheit über unsere heraus. Ich hab dich lieb.
Mum x
13
Morata de Tajuna, Jarama, Februar 1937
Die Chirurgen des Feldlazaretts in der Nähe der Jarama-Front arbeiteten mit nacktem Oberkörper, weiße Schürzen bedeckten die Beine, die Füße steckten in weißen Stiefeln. Ein klappriges Metallgerüst stützte einen schwachen Strahler über dem Patienten. Es sah aus wie ein kindlicher Versuch, mit einem Metallbaukasten einen Operationstisch zu bauen.
»Was kommt noch rein?«, rief einer der Chirurgen.
»Sechs Abdomen und ein paar Köpfe, Doktor«, sagte Freya.
»Wie geht es dem letzten Patienten?«
»Er ist stabil, Herr Doktor. Die Transfusion hilft.«
»Gut. Skalpell.«
Freya tastete in der Dunkelheit nach dem richtigen Instrument. Flackerndes Kerzenlicht beleuchtete die silbernen Skalpelle auf dem Tablett.
»Wie viele Beutel Blut haben wir noch?«, fragte er.
»Wir haben gerade den letzten verbraucht«, antwortete eine Schwester, die am Kühlschrank stand.
»Mist. Die Lieferung hat Verspätung.« Mit dem Handrücken wischte er sich den Schweiß von der Stirn. »Benachrichtigen Sie die Blutbank. Sie sollen uns alles schicken, was sie haben.« Erschöpft lehnte er sich an den Operationstisch. »So, der Kerl hier braucht eine direkte Transfusion. Wer hat Blutgruppe 0?«
Freya hob die Hand.
»Wann haben Sie zuletzt Blut gespendet?«
»Vor ein paar Monaten.«
»Das geht.«
Freya legte sich in einem Nebenraum neben den Verwundeten auf ein kaltes, feuchtes Feldbett und schloss die Augen.
»So«, sagte ein Mann, »es piekst nur ein bisschen.«
Freya spannte die Muskeln an. »Das war sehr gut. Ich habe gar nichts gemerkt.«
»Fein. Dann verbinden wir Sie jetzt mit der Vene des Verletzten.«
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, hätte ich lieber keine detaillierte Beschreibung.« Sie schlug die Augen auf und sah den Arzt, der auf sie herabblickte. An den Fältchen in den Augenwinkeln erkannte sie, dass er unter seiner Maske lächelte.
»Sie hatten die Augen so fest zu, dass man glauben könnte, sie hätten Angst.«
»Das habe ich auch. Ich kann Nadeln nicht ausstehen.«
»Ein bisschen schwierig für eine Krankenschwester, nicht?« Er schaute zu dem verwundeten Soldaten hinüber. »Ich bin mir sicher, er wird es zu schätzen wissen.« Der Arzt legte ihren Arm zurecht und prüfte, ob das Blut zu dem Patienten an ihrer Seite floss. »So, gut gemacht. Sie haben heute ganz schön viel zu tun hier.«
»Das ist nichts Besonderes«, sagte Freya. »Wenn es hier richtig voll ist, strahlen wenigstens die Körper etwas Wärme aus. Im Moment haben wir über zweihundert Patienten, obwohl diese Einheit eigentlich nur für fünfzig ausgerüstet ist. Die Männer teilen sich zu dritt ein Bett, liegen auf dem Boden, überall …« Sie hatte das Gefühl, sie würde zu viel reden, und zwang sich zu einem Lächeln.
»Ich liebe euch Briten.« Er lachte. »Ihr seht immer das Positive. Übrigens, Tom Henderson mein Name.«
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Dr. Henderson.«
»Sagen Sie doch Tom.«
Freya blickte zu seinen freundlichen blauen Augen auf. »Ich heiße Freya.«
»Nun, Freya, ich denke mal, Sie haben sich danach eine Tasse Tee verdient.« Er ahmte einen englischen Akzent nach.
»Tee? Ach, das wäre schön. Ich bin mir nicht sicher, ob der Tee überhaupt noch Tee ist«, sagte Freya. »Sie sind zu freundlich. Ich muss weitermachen. Es kommen reihenweise Verletzte.«
»Sie wissen, wie diese Schlacht genannt wird?«
»Ich glaube, die Leute sagen Suicide Hill, Selbstmordhügel.« Freya seufzte. »Das Fünfzehnte Bataillon gibt
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