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Das Haus der Tänzerin

Das Haus der Tänzerin

Titel: Das Haus der Tänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Lord Brown
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steht es eigentlich mit Cornford?«
    »John? Nein, er war viel zu zurückhaltend.«
    »Zu Charles’ Zeit haben sie bei Neumitgliedern natürlich eher auf das Aussehen als auf den Intellekt geachtet.«
    »Ach, Frey, sei doch still. Du redest von Dingen, von denen du keine Ahnung hast.«
    »Ich habe nie verstanden, warum er nicht zurück ans King’s College gegangen ist. Es hat ihm dort gefallen. Es war fast, als wollte er sich selbst bestrafen«, sagte Freya zu Emma.
    »Mich selbst bestrafen? Glaubst du? Vielleicht gab es zu viele Erinnerungen.« Charles runzelte die Stirn. »Am Downing College war ich eigentlich ganz zufrieden. 1945 bin ich zurück, nachdem Wigglesworth von Imms übernommen hat. Er hatte sich ja auf Schmetterlinge und Falter spezialisiert. Ein großartiger Familienmensch, sehr warmherzig – obwohl man das nicht vermuten würde, wenn man Updikes Gedicht über ihn liest. Es war eine aufregende Zeit. Wir haben mit unserer Arbeit in Cambridge damals wirklich den Blick auf Insekten revolutioniert. Ich hatte mich zuerst mit den Duftschuppen beschäftigt – du weißt doch, dass sie chemische Stoffe, Pheromone, abgeben, um Weibchen anzuziehen.«
    Charles hatte seine Theorien schon hundert Mal erklärt, aber Emma hielt ihn bei Laune. »Das klingt wirklich faszinierend, Onkel Charles.«
    »Nicht schlecht für kleine Wesen, die genauso viel wiegen wie zwei Rosenblätter und nur ein paar Tage leben.«
    »Sind viele von deinen Freunden nach Spanien gegangen?«
    »O ja. Ich, Hugo, John Cornford …«
    »Er war Lyriker, oder?«
    »Ja«, sagte Charles. »Er kam ’36 zurück, um uns davon zu überzeugen, uns den Internationalen Brigaden anzuschließen. Er war natürlich ein paar Monate später tot. Ich habe ihn kurz in Madrid getroffen.« Bei der Erinnerung lächelte Charles traurig. »Er sah aus wie Byron, schrecklich dunkel und romantisch, mit einem Verband um den Kopf. Am Heiligen Abend fuhren sie mit dem Zug zur Andújar-Front. Wir verloren Ralph Fox und John, am Tag nach seinem einundzwanzigsten Geburtstag.« Er seufzte und schaute Emma an. »Wenn du dich wirklich für diese alten Geschichten interessierst, habe ich ein Abschiedsgeschenk für dich. Komm und besuch mich in Cambridge, bevor du fährst.«
    »Danke, das mache ich. Ich hoffe, du änderst deine Meinung, was Valencia betrifft. Aber es ist ja noch Zeit. Ich werde ein paar Monate brauchen, um dort aufzuräumen.« Hoffnungsvoll hielt sie inne. »Ihr kommt doch sicher, um euch das Baby anzuschauen?«
    »Mal sehen.« Freya lächelte dünn. »Ich hoffe, du weißt, was du tust.«
    »Wovon willst du leben?«, fragte Charles.
    »Ich überlege mir etwas. Parfum, Kosmetik, nach dem elften September scheint alles so sinnlos.«
    »Da täuschst du dich«, sagte Freya. Emma fiel die plötzliche Härte in ihrer Stimme auf. »Die Menschen brauchen Dinge wie Parfum und Gedichte, Musik und Kunst in Zeiten wie diesen mehr denn je. Die Menschen müssen sich an die einfachen Freuden im Leben erinnern. Wenn man sie vergisst, wenn das Leben seine Farbe verliert, dann haben sie gewonnen. Dann haben diese feigen, herzlosen Mistkerle gewonnen.«
    »Frey«, sagte Charles.
    »Tut mir leid. Wenn ich über die Vergangenheit rede, dann …« Sie blinzelte und senkte den Blick. »Wir können sie nicht gewinnen lassen.«
    Emma wurde mit einem Mal bewusst, dass sie Freya noch nie hatte weinen sehen, nicht einmal, als Liberty starb. Sie hatte sie wegen Libertys Brief fragen wollen, aber nun schien nicht der richtige Zeitpunkt zu sein. Freya sah plötzlich müde aus.
    »Ich hoffe wirklich, du weißt, was du tust«, wiederholte Freya.
    »Hör nicht auf sie«, sagte Charles. »Sie war schon immer übervorsichtig …«
    Freya funkelte ihn an. »Unsinn. Ich bin nicht schlecht gefahren.«
    Charles tätschelte Emma die Hand. »Ich wünsche dir viel Glück, Em. Wenn du das tun musst, dann tu es.« Er blickte über den See. »Alles geht so schnell vorbei. Wir müssen genießen, was man genießen kann.«

15

    Guadalajara, März 1937
    Freya war mit ein paar der spanischen Schwestern fast bis Sonnenuntergang damit beschäftigt, Schutt aus den zerstörten Zimmern des verlassenen Bauernhauses zu räumen, die welligen Böden zu schrubben und noch mehr Betten für das Feldlazarett aufzustellen. Sie war erschöpft, ihre Hände waren vom Tragen der Ziegel und Steinbrocken aufgescheuert, und an den Schienbeinen hatte sie blaue Flecken und Schrammen, weil sie immer wieder über die metallenen

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