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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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Pension am Portugal Place ab. Er zündete sich eine Zigarette an und warf die Streichholzschachtel dann auf das Kopfsteinpflaster.
    »Hört zu«, sagte er leise. »Ich möchte, dass ihr beide meine Hand drückt. Ich will sehen, wie kräftig eure Finger sind.«
    »Warum?«
    »Mach es einfach, Goosey.«
    Lu See packte seine Hand, so fest sie konnte, dann kam Sum Sum an die Reihe.
    »Gut. Die Kraft in den Fingern ist entscheidend. Ich will euch nämlich etwas zeigen.«
    »Was denn?«
    Er streichelte Lu Sees Nacken. »Siehst du die Streichholzschachtel dort auf dem Boden? Genau so sehen die Gebäude vom Dach der King’s Chapel aus.«
    »Ich kann dir nicht ganz folgen.«
    »So hoch oben fühlst du dich wie ein Adler, mehr noch: wie ein kleiner Gott. Wir gehen klettern.«
    Fünf Minuten später standen Lu See, Sum Sum und Adrian neben der Rosskastanie auf der King’s Parade und starrten zu den Sternen am Himmel hinauf. Sie waren in warme Mäntel und dicke Schals gehüllt, Adrian trug einen Rucksack auf dem Rücken. Im nahen Gibbs Building und dem Old Lodge gingen die Lichter an, aber dort, wo sie standen, herrschte pechschwarze Dunkelheit.
    »Zuerst müssen wir auf diesen Baum klettern, damit wir über die Mauer ins King’s College kommen. Dann werden wir auf das Dach der Kapelle steigen«, erklärte Adrian.
    Meinte er das ernst? Lu See machte unwillkürlich einen Schritt rückwärts. Sie stand so starr da wie einer der steinernen Wasserspeier. »Du willst mich wohl auf den Arm nehmen?«
    »Wahh! So aufregend, lah ! Fantastisch!«
    »Nein, das ist es absolut nicht, Sum Sum! Das ist verdammter Wahnsinn!«
    »Psst!« Adrian legte Lu See seinen Zeigefinger auf die Lippen. »Wir wollen doch nicht, dass jemand auf uns aufmerksam wird.«
    »Wie hoch ist die Kapelle?«, flüsterte Lu See. Sie zitterte. Es war eine Mischung aus Nervosität und Kälte, die sie erschaudern ließ.
    »Ich bin mir nicht ganz sicher. Aber ich vermute, dass es mehr als fünfundvierzig Meter sind. Seht ihr den Blitzableiter dort? Über den kommen wir zum Hauptdach hinauf.«
    Sum Sum strahlte. »In Tibet, ich war mächtig gut in Klettern. Dort gibt viele Felsen und Berge.«
    »Ich habe schon fast jedes College bestiegen. Das Trinity ist ziemlich schwierig. Peterhouse ist am leichtesten.«
    »Aber das ist doch gefährlich«, mahnte Lu See.
    »Natürlich ist es das. Sonst macht es doch keinen Spaß.« Er lächelte.
    »Wie oft machst du das?«
    »Wenn es nicht regnet und wenn auf den Strebepfeilern kein Schnee liegt, einmal pro Woche. In den wärmeren Monaten auch öfter. Ich bin auf die Idee gekommen, als ich die Dajaks in Borneo dabei beobachtet habe, wie sie auf Kokospalmen kletterten, und später dann die Eierräuber in Sabah, die auf den Klippen die Vogelnester ausnehmen. Willst du es nicht wenigstens einmal versuchen? Vertrau mir, es wird dir gefallen!«
    Lu See schüttelte den Kopf. »Ich werde da nicht raufklettern. Nie im Leben!«
    Adrian rieb sich nachdenklich das Kinn. »Vielleicht hast du sogar recht. Es ist ein bisschen ehrgeizig von mir, euch gleich mit der King’s anfangen zu lassen. Beginnen wir mit etwas Einfacherem. Kommt, folgt mir!«
    »Können wir nicht einfach nach Hause gehen?«
    »Nein, Goosey. Mir nach!«
    Sie überquerten die Straße und liefen die Trinity Street entlang. Als sie die Einmündung der Trinity Lane passierten, sagte Lu See: »Du willst also tatsächlich auf ein dreißig Meter hohes Gebäude klettern. Im Dunkeln! Um Mitternacht! Bei diesem Wetter!«
    »Damals in Tibet, als ich war neun, mein Bruder und ich sind auf Berg von Jadedrachen geklettert und dann in Tigerschlucht gesprungen.«
    »Auf einen Berg zu klettern kann ich mir vielleicht noch vorstellen. Aber doch nicht auf das verdammte Dach einer Kapelle!«
    »Du hast Höhenangst.«
    »Das weißt du doch.«
    »Nun, dies ist eine der wichtigsten Lektionen, die du in deinem Leben lernen wirst, nämlich wie du deine Angst überwindest. Hier wären wir«, sagte Adrian.
    »Wo?«, fragte Lu See.
    Er hob die Hand und zeigte nach oben. »Das ist die Divinity School. Sie hat gute, stabile Fallrohre, und das Mauerwerk ist nicht allzu bröckelig. Du kannst dich auch an den Fenstersprossen im zweiten Stock festhalten, wenn du eine Pause brauchst.«
    Er sah sich noch einmal um, um sich zu vergewissern, dass außer ihnen niemand auf der Straße war. »Also, wer will mit mir hinaufklettern?«
    »Ich!« Sum Sum hob die Hand.
    »Wir müssen in unsere Pension zurück. Mrs Slackford

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