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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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von ihrem Kopf entfernt schoss ein Vogel aus einer der tieferen Mauerspalten. Er schlug heftig mit den Flügeln, Federn stoben davon.
    FLAPP ! FLAPP ! FLAPP !
    »Alles in Ordnung, Goosey!«, rief Adrian von oben herunter. »Das war nur eine Taube. Sie ist schon weg.«
    Lu See musste unwillkürlich lachen. Sie glühte jetzt förmlich vor Aufregung. Nach oben spähend sah sie den dunklen Schatten von Sum Sums Hinterteil und ihren Oberschenkeln, welche sich gerade über den First bewegten.
    Lu See lockerte ihre Finger. Ihre schmerzenden Handgelenke brachten sie fast um. In ebendiesem Moment fuhr unten ein Auto vorbei. Seine Scheinwerfer erhellten die ganze Straße. Lu See schnappte nach Luft, als sie nach unten sah. Das Auto war nur noch so klein wie ein Schuhkarton.
    Mit frischer Energie setzte sie ihre Füße auf den Sims und stellte sich dann auf die Verbindung zweier Regenrinnen, um sich an dem Mauervorsprung festzuhalten. Als sie sich nach oben zog, erblickte sie plötzlich ihr eigenes Spiegelbild. Sie hatte die Fenster im zweiten Stock erreicht. In der Hocke kauernd und die Füße seitlich an den Rahmen gedrückt hielt sie sich an den eisernen Gitterstäben des Fensters fest. Sie waren eiskalt.
    »Wie kommst du voran?«
    Es war Adrian. Er war zu ihr heruntergeklettert, um zu sehen, ob sie Schwierigkeiten hatte.
    »Oh, ganz gut«, erwiderte sie lachend. »Ein Überraschungsangriff durch eine Killertaube, wenn man gerade an der Fassade eines Gebäudes hängt, das ist wirklich lustig.«
    »Du machst das ganz hervorragend.« Er lächelte. »Das nächste Stück ist ein wenig kniffelig, deshalb dachte ich mir, ich helfe dir. Bereit?«
    »Vorwärts und aufwärts!« Lu See umfasste einen schmalen Kamin und zog sich nach oben, zwängte ihre Schuhspitzen in die kleinen Vertiefungen, um Halt zu finden, und arbeitete sich weiter nach oben.
    Als sie die nächste Ebene erreicht hatte, drehte sie sich zur Seite und lächelte ihn an. »Dafür bringe ich dich um, Adrian Woo.«
    Genau in diesem Moment lockerte sich unter einem ihrer Füße das Mauerwerk. Kleine Brocken Mörtel lösten sich aus der Mauer, regneten nach unten, sie rutschte mit dem Fuß ab.
    »O Gott!«
    Ihre Hände tasteten nach irgendetwas, woran sie sich festhalten konnte. Eine Sekunde lang schien sie in der Luft zu schweben. Sie griff nach dem Seil, verfehlte es jedoch und spürte, wie sie nach hinten kippte.
    Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie
    F
    I
    E
    L .
    »Ich hab dich!«, rief Adrian. Er hielt sie an der Taille fest und zog sie an sich. Vor Lu Sees Augen verschwamm die Welt.
    »Ich glaube, du solltest jetzt lieber das Seil zu Hilfe nehmen. Wenn du deine Füße auf meine Schultern stellst, kann ich dich stützen«, sagte er.
    Ihre Beine zitterten. Sie fühlte sich schwach, so als hätte sie nur noch Pudding in den Knien.
    »Nimm dir einfach Zeit, Goosey.«
    Ein paar Minuten später waren sie oben, saßen, gegen das abfallende Dach gelehnt, einfach nur da. Sämtliche Muskeln in Lu Sees Armen zuckten. Ihr Herz schlug wie wild. Aber sie lachte, sprudelte geradezu über vor Begeisterung über den herrlichen Ausblick, den sie auf den Fluss, den Turm und die Laternen des nahen Trinity-Colleges hatte.
    Sum Sum strich Lu See die Haare aus dem Gesicht. »Schau die Lichter dort hinten an, so weit weg, lah . Sehen aus wie Glühwürmer!«
    »Das treibt den Adrenalinspiegel ganz schön nach oben, nicht wahr?«, rief Adrian.
    Lu See legte ihren Kopf auf ihre Knie und lachte weiter. »Ich glaube nicht, dass ich mich jemals so lebendig gefühlt habe«, sagte sie keuchend. »Mein Hände sind aufgeschürft und wund, meine Ellbogen bluten, und mein Rücken schmerzt.«
    Sie hob den Kopf. Der Fluss glitzerte im Mondlicht purpurfarben. Die Spitzen der Collegegebäude ähnelten verzierten Hochzeitstorten. Sie stieß einen Freundschrei aus.
    »Du bist völlig plemplem«, sagte Sum Sum kichernd.
    »Hast du gesehen, dass ich mir fast den Hals gebrochen hätte? Die Taube war riesig!«
    »Groß wie Adler, lah !«
    »Ich dachte, dir springen die Augen aus dem Kopf«, sagte Adrian.
    »Ich glaube, ich hab mir vor Schreck in die Hose gemacht.«
    Jetzt brüllten alle drei vor Lachen.
    »Beim nächsten Mal bringe ich eine Thermoskanne mit heißer Schokolade mit«, sagte Adrian, zündete sich eine Zigarette an und inhalierte tief.
    »Beim nächsten Mal?«, rief Lu See.
    Adrian legte seinen Zeigefinger auf die Lippen und strich dabei mit dem Daumen leicht über ihre Wange. » Pssst! Das ist

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