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Das Haus der tausend Blueten

Das Haus der tausend Blueten

Titel: Das Haus der tausend Blueten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Lees
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das, was in dieser Nacht geschehen war, nicht einfach vergessen?
    Sum Sum vergrub ihr Gesicht in den Händen.
    Genau in diesem Moment erschien Lu See mit einem Becher Tee in der Tür. »Stimmt etwas nicht?«, fragte sie.
    Sum Sum zuckte mit den Schultern.
    »Du warst die ganze Zeit so still. Hast du geweint?«
    Sum Sum wandte den Blick ab.
    »Ist irgendetwas geschehen?«
    »Nein.« Sie wurde rot.
    Lu See stellte den Tee auf das Nachttischchen und setzte sich dann neben sie auf das Bett. »Ich weiß, dass es in England nicht leicht für dich ist. Du fühlst dich hier isoliert. Das tun wir beide. Wir sind hier Außenseiter. Und ich bin mir sicher, dass du dir auch wegen des Babys Sorgen machst. Vielleicht hast du auch Heimweh nach Malaysia. Ich jedenfalls habe Heimweh.«
    Sum Sum schwieg.
    »Ich habe nachgedacht«, fuhr Lu See fort. »Möchtest du nach Hause? Möchtest du zurück nach Juru, wenn das Baby da ist?«
    Sum Sum trank vorsichtig einen Schluck Tee.
    »Du bedeutest mir alles, Kürbiskopf. Aber wenn du hier in Cambridge unglücklich bist, dann habe ich durchaus Verständnis dafür, wenn du zurückmöchtest. Du hast hier keine Freunde. Ich habe Adrian, und ich habe meine Bücher, um mich zu beschäftigen. Ich werde dafür sorgen, dass du nach Malaysia zurückkehren kannst. Du kannst bei Zweiter Tante Doris arbeiten. Und mach dir keine Gedanken: Sobald ich meinen Abschluss habe, werde auch ich zurückkommen.«
    Sum Sum drehte sich um und sah ihre Freundin an. Wie gern hätte sie ihr von dem Mann mit dem Muttermal erzählt. Sie wollte ihr alles sagen, aber die Worte blieben ihr in der Kehle stecken. Die Hand, die den Tee hielt, zitterte. Ihre Brust zitterte mit.
    »Bitte, schau nicht so traurig drein.« Lu See zog Sum Sum an sich. »Wir dürfen nicht traurig sein. Nicht wir. Vor allem du nicht. Und weißt du auch warum? Weil du mich hast, Kürbiskopf. Ich werde immer für dich da sein. Ich hab dich lieb.«
    Sum Sum rang sich ein aufgesetztes Lächeln ab. »Seh ich jetzt noch traurig aus?«
    »Du kannst mir nichts vormachen.«
    »Ich bin müde«, sagte Sum Sum schließlich. »Es ist alles in Ordnung. Das Baby macht mir müde.«
    »Du sagst es mir doch, wenn dich irgendetwas quält, nicht wahr?«
    Sum Sum fand jedoch keine Worte mehr. Sie starrte einfach auf den Boden und nickte einmal kurz mit dem Kopf, während sie ihren Becher so fest umklammert hielt, als fürchte sie, man würde sie von hier fortzerren, wenn sie sich nicht mit aller Macht an ihm festklammerte. Fortzerren auf ein verlassenes Gelände.
    Juni. Jetzt, da sich Lu See intensiv auf ihre Aufnahmeprüfung vorbereitete, die ganze Zeit in der Divinity-Bibliothek saß und sich in ihre Lehrbücher vergrub, wurde Sum Sum immer verdrießlicher. Lu See hatte recht. Sie hatte niemanden, mit dem sie reden konnte. Ihre Welt war so klein und eng. Wenn sie allein nach draußen ging, fürchtete sie oft, der Mann mit dem Muttermal könnte ihr wieder auflauern. Sie hatte Lu See noch immer nicht von ihm erzählt. Tatsächlich versucht sie alles, um nicht an ihn zu denken.
    Eines Morgens blickte Sum Sum überrascht von der Modern Screen auf, in der sie gerade las. Ein heftiges Verlangen hatte sie mit einem Mal gepackt. Nudeln! Ich brauche unbedingt eine Schüssel von Pietros köstlichen italienischen Nudeln.
    Sie ging die Sydney Street hinunter und dann geradewegs ins Christ College hinein. Vorbei am Great Gate Tower und der Pförtnerloge mit ihren Bowlerhut tragenden Pförtnern lief sie durch den First Court und dann den Aufgang C hinauf.
    Sie klopfte zweimal an die Eichentür, hinter der sich die Wohnungen der Studenten befanden.
    »Herrr-eiiin!«
    Mit Erlaubnis des Aufwärters betrat sie kurz darauf die Räume, die Pietro bewohnte. Die Wände dort waren über und über mit Opernplakaten und Aushangbildern für Tosca und Madam Butterfly beklebt. Pietro ruhte auf einer Chaiselongue und fächelte sich mit einem orientalischen Papierfächer Luft zu. Auf seinen Wangen lag ein Hauch von Rouge.
    »Morgen, lah . Ich brauch diese Rezept«, verlangte Sum Sum ohne große Vorrede von ihm.
    »Ah, wenn das nicht mein lieber Samson, Mörder der Philister, ist. Das Mädchen mit den wunderschönen Händen.« Er klappte den Papierfächer mit einem leisen klack zu und betrachtete seine Fingernägel. »Wenn meine doch auch nur so gepflegt wären.«
    »Erinnerst du dir, letzte Woche, wo wir am Abend alle zusammen in College Hall gegessen haben, ja? Du musst mich zeigen, wie man dies

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