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Das Haus der Tibeterin

Titel: Das Haus der Tibeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica Cesco
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er, entfernte sich mit gleichmäßigen Schritten. Die zuckenden bunten Lichter, das Blitzen vieler Scheinwerfer hüllten ihn ein, verbargen ihn - weise und tapfer wie selten jemand, und doch nur ein Mönch, ein alter Mann. Jetzt erst wurde mir bewusst, welch unermessliche Geschenke ich auf dieser Reise erhalten hatte. Ich war doch nicht umsonst nach Lhasa gekommen.

SIEBENUNDVIERZIGSTES KAPITEL
    D ie Maschine senkte sich, tauchte mit gleichmäßig brummenden Motoren in den Nebel ein. Ich lehnte mich entspannt zurück, schluckte, der Druck auf den Ohren ließ nach. Ich spürte eine beinahe unverständliche Freude, wie ein Echo der glücklichen Stimmung, die mich seit Tibet keinen Augenblick verlassen hatte. Die Reise war vorbei, die zehn Tage waren um. Ich war nicht lange genug in Tibet gewesen, um alles zu begreifen. In den Gesichtern der Tibeter aber hatte ich gelesen wie in einem Spiegel, weil sie mir vertraut waren und das reflektierten, was sie nicht sagen konnten. Gesichter, geformt und gebildet aus dem, was sie erlebt und erduldet hatten. Auch wenn sie laut lachten und lustig sprachen, hatte ich sie gespürt, diese enorme Traurigkeit. Ich war in verschiedene Lebensschichten eingetaucht und hatte alle wie in Tücher eingewickelt vorgefunden. Ich hatte mich herangetastet, erfühlt, was wohl darin stecken konnte. Manches hatte ich herausgefunden, anderes nicht. Aber das spielte wohl keine Rolle mehr.
    Die letzten zwei Tage waren schnell vorübergegangen. Wir hatten Klöster besichtigt, die gut restauriert waren. Frau Chang hatte übersetzt, wenn Alice und Aline Gespräche mit glücklichen Mönchen führten. Wir hatten kleine Dörfer mit frisch getünchten Lehmhäusern besucht. Frau Chang hatte uns erklärt, dass Yakdung und Reisig, das Brennmaterial für den Winter, auf den Balken der flachen Dächer gelagert wurden. Lustige Bewohner hatten uns die großen Gehörne und die Amulette über den Türen gezeigt, die zur Abwehr böser Geister dienten.
Es gab auch Sonnen- und Mondsymbole; seltener war ein akkurat gemalter Skorpion zum Schutz gegen das Unheil. Ja, und die buddhistischen Hakenkreuze, rechtsgedreht gemalt, bedeuteten Glück und Gesundheit. Die fröhlichen Bauern, malerisch gekleidet, hatten uns mit Chang-Bier bewirtet. Natürlich hatten wir auch andere Dörfer gesehen, solche, an denen der Reisebus vorbeifuhr, Dörfer mit verkommenen Flachbauten und schlammigen Feldern, auf denen magere Yaks hinter Stacheldraht grasten. Hier sah man keine Gebetsfahnen, nur Stromleitungen, Mobilfunkantennen und Müllhalden. Bei Fragen tat Frau Chang dann peinlich berührt. Ja, es sei eine Schande, aber es kam vor, dass die Müllabfuhr gerade streikte. Und als Rico wissen wollte, ob Streiks in einem totalitären Staat erlaubt seien, meinte Frau Chang, dass Streiks, obwohl sehr unschön und dem Prinzip der gesellschaftlichen Solidarität zuwiderlaufend, geduldet würden. »Aber«, sagte Frau Chang mit leicht gequältem Lächeln, »wenn man den Streikenden die Lage geduldig erklärt, verstehen sie recht bald, warum ihr Verhalten falsch ist.«
    Wir speisten in sauberen Restaurants; die Tische waren bereits für uns gedeckt. Chinesische Kellnerinnen in tibetischer Tracht erfreuten uns mit Jasmintee und schmackhaften Gerichten. In den Dörfern aber gab es andere Spelunken, schmuddelig, voller tibetischer Betrunkener - ärmlich gekleidete Männer und Frauen mit aufgedunsenen oder verhärmten Gesichtern. Wirklichkeit und Schein - wir ließen uns nicht hinters Licht führen, doch die Illusion wurde aufrechterhalten. Chinesische Artefakte, eine Lebenskunst, die das Dasein zurechtmodelte, die eine heile Welt auf Müllhalden vorgaukelte, bunte Gewänder über schwärende Wunden zog und die Armut für die äußerliche Betrachtung in Folklore verwandelte. Wer das begriffen hatte, empfand nur noch Überdruss. Ich wollte nichts mehr sehen, weil ich alles gesehen hatte. Auch die Mitreisenden wurden immer gereizter. Sie waren schon zu lange zusammen, durch das Programm aneinander gebunden.
Jeder wollte zurück aus dieser Fremde, zurück in seine eigene Welt.
    Das Flugzeug hatte mich in die Ferne getragen, nun brachte es mich wieder heim. Das alte Foto trug ich bei mir wie einen Talisman. Es genügte, dass ich die Augen schloss, um schon damit zu beginnen, das Haus aufzubauen, Stein für Stein.
    Das Flugzeug landete. Jetzt wünschte ich nur, dass alles schnell ging. Wir waren ja beinahe zu Hause. Keine langen Kontrollen, nichts. Wir warteten

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