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Das Haus der Tibeterin

Titel: Das Haus der Tibeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica Cesco
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auf unser Gepäck, tauschten Mail-Adressen und Visitenkarten. Wir wollten in Kontakt bleiben, uns wiedersehen, über Tibet reden. Aber keiner von uns glaubte so richtig daran. Wir gingen rasch davon, zum Intercity, zur Garage, zur S-Bahn. Schon jetzt hatten wir einander aus den Augen verloren.
    Der Rucksack war nicht schwer, ich hatte ja nichts eingekauft, schleppte nur die schmutzige Wäsche. Ich ging die Rolltreppe hinunter und wartete auf die S-Bahn. Es war drei Uhr nachmittags, noch kein Gedränge, in den Wagen gab es viel Platz. Alles war sauber, funktional, alle Stimmen vertraut. Ich lehnte die Stirn an das Fenster; draußen war es diesig und kühl. Etwas Laub, fad und ausgeblichen, hing an den Bäumen. Mein Herz klopfte, ich konnte nicht ausmachen, warum. Es war dumm, jetzt aufgeregt zu sein, nach nur zehn Tagen Abwesenheit.
    Ich fuhr mit der Straßenbahn; es ging schnell, obwohl allmählich der Berufsverkehr einsetzte. Eine Gruppe Schulkinder lärmte. Alle trugen Mützen und Anoraks und Stiefel. Wie perfekt diese Kinder gekleidet waren für einen Winter, der so mild war! In Tibet hatte ich Kinder und auch Erwachsene gesehen, die Klamotten aus billigem Polyester trugen und bei Glatteis nur ausgetretene Turnschuhe. Ich lehnte die Stirn an die Scheibe; müde war ich, und das Nachdenken hatte ich satt.
    Nur noch eine Haltestelle jetzt. Ich schnallte meinen Rucksack
fest, stapfte zur Tür, drückte auf den Halteknopf. Dann noch zweihundert Meter zu Fuß. Ich war zu Hause.
    Im Briefkasten nur Prospekte. Briefe und Zeitungen lagerten im Postamt. Die Wohnung war aufgeräumt, roch nach eingeschlossener Luft.
    Die nette Frau Keller, meine Nachbarin, hatte die Pflanzen gegossen. Auf dem Schreibtisch stand, wie immer, der Computer. Ich schaltete ihn ein, stopfte die schmutzige Wäsche in die Maschine, zog mich aus und ließ ein Bad einlaufen. Im Bademantel sah ich schnell die E-Mails durch. Nichts, was nicht warten konnte. Ich schaltete den Computer aus, badete dann lange, mit Badesalz, wusch mir das Haar mit einem Shampoo, das nach Pfirsich duftete. Nachdem ich das Haar geföhnt hatte, ging ich in die Küche und machte mir einen Tee. Der Kühlschrank war leer, ich musste einkaufen. Ich sehnte mich nach frischem Obst. Ob es wohl noch Trauben gab? Aber heute hatte ich keine Lust mehr, noch mal aus der Wohnung zu gehen. Ich goss etwas Milch auf Haferflocken und Dörrfrüchte, trank Kräutertee. Mein Bett hatte ich frisch bezogen, bevor ich abgereist war. Ich zog einen warmen Pyjama an und legte mich schlafen.
    Um sieben Uhr wachte ich auf. Ich hatte rund um die Uhr geschlafen, wie ein Kleinkind. Ich duschte schnell, zog mich an und ging zum Supermarkt, der schon geöffnet hatte. Überall machten sich Weihnachtsdekorationen breit und Gerüche nach Zimtsternen und Vanille. Ja, es gab Trauben und auch noch Kaki und schöne Birnen. Alles sauber verpackt, hygienisch einwandfrei. Eine heile Welt in Zellophan und Plastik. Ich kaufte ein, was ich brauchte, füllte den Wagen, stand ein paar Augenblicke Schlange an der Käsetheke.
    Wieder zu Hause, frühstückte ich ausgiebig, mit viel Kaffee, frischem Brot, Butter und Himbeerkonfitüre. Danach machte ich mein Bett, leerte die Waschmaschine und warf die Wäsche in den Trockner. Dann sah ich auf die Uhr. Halb zehn. Ich nahm mein Handy und tippte Sonams Nummer.

    »Wann bist du angekommen?«, fragte die Amla. Ihre Stimme klang nicht anders als sonst.
    »Gestern um drei. Aber ich war müde und habe geschlafen. Und zuerst wollte ich einkaufen. Ich hatte nichts mehr im Haus.«
    »War die Reise anstrengend?«
    »Kaum. Es waren auch nette Leute dabei. Ich habe dir einiges zu erzählen. Wann kann ich kommen?«
    »Jetzt gleich, wenn du willst.«
    »Gut«, sagte ich, »in einer halben Stunde.«
    Der Tag war kalt, grau, unfreundlich. Ich fuhr mit dem Wagen und fand nach längerem Suchen einen Parkplatz. Mit einer Tüte voller Gebäck ging ich den Weg durch die Gartenanlage entlang. Ein kleiner Tibeter auf Rollschuhen kam mir entgegen. Ich kannte ihn vom Sehen, wusste nur nicht, wie er hieß. Er bedankte sich höflich, als ich ihn vorbeiließ. Da der Weg ein wenig bergab ging, fuchtelte er mit beiden Armen, um sein Gleichgewicht zu halten.
    Natürlich hatte mich Amla vom Fenster aus gesehen. Sie öffnete schon die Tür, bevor ich geklingelt hatte. Wir umarmten uns. Ich stieg aus meinen Baskets, ging auf Socken in die Wohnung und schob meine Füße in die bereitgestellten Pantoffeln. Amla stand

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