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Das Haus der toten Mädchen

Das Haus der toten Mädchen

Titel: Das Haus der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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Auge auftauchte, wie sie an seinem Arm hing, wie sie ihn anlachte, wie sie neben ihm herstolperte. Und er hätte alles darum gegeben, wenn ihm einfiele, was sich in jener letzten Nacht in Colby zugetragen hatte, bevor er blutüberströmt aufgewacht war.
    Er hatte den Geruch der Landschaft vergessen, den sauberen, frischen Duft des Sees, das süßliche Harz der Kiefern, das Aroma wachsender Dinge. Einst hatte er diesen Duft geliebt – seinetwegen war er länger hier geblieben als an jedem anderen Ort, den er seit dem Tod seines Vaters besucht hatte. Als sein Vater gestorben war, hatte Griffin bereits ein Alter erreicht gehabt, dass er als Erwachsener durchgehen konnte, und im Grunde war er ohne seinen alten Herrn besser dran gewesen, der oft ein bisschen zu tief in die Flasche geblickt und anschließend gern zu seinem Gürtel gegriffen hatte. Der alte Mann war ständig entweder aggressiv oder trübsinnig gewesen. Oder bewusstlos. Dennoch: Er war nach dem frühen Tod der Mutter Griffins einziger echter Angehöriger gewesen, und Griffin hatte seinen Vater geliebt.
    Aber ohne den alten Säufer im Schlepptau war es leichter gewesen, Arbeit, ein Dach über dem Kopf und genießbares Essen zu finden.
    Eigenartigerweise konnte er sich nicht entsinnen, wo er seinen Vater hatte begraben lassen. Seine Mutter lag im Familiengrab in Minnesota, aber wo er den alten Mann zur letzten Ruhe gebettet hatte, wusste er nicht mehr. Das machte ihm zu schaffen.
    Sein Vater war in Kansas oder Nebraska gestorben. In einem dieser großen, flachen Staaten, in einer kleinen Stadt, und Griffin hatte mit Ach und Krach das nötige Geld für die Bestattung zusammengebettelt, -geborgt und -geklaut. Einen Stein hatte er sich nicht leisten können, aber das war egal gewesen. Er hatte ohnehin nie vorgehabt, wieder dort vorbeizuschauen.
    Er kehrte äußerst ungern an einen Ort zurück – an diesen ganz besonders. Damals war er eine Weile dumm genug gewesen zu glauben, er könne den Rest seines Lebens in Colby verbringen. Er war jung gewesen, hatte noch eine Spur von Unschuld im Leib gehabt. Diese Spur hatte der Vermonter Strafvollzug schnell und gründlich getilgt.
    Natürlich war das vor seiner Begegnung mit Lorelei gewesen. Damals hatte er kein sonderlich gutes Gespür für Frauen besessen. Lorelei hatte von Anfang an Ärger gemacht. Sie war schlank, geschmeidig und immens sexhungrig gewesen. So unersättlich sogar, dass
ein
Mann ihr nicht gereicht hatte, wahrscheinlich nicht einmal zwei. Er hatte geahnt, dass er sie mit anderen teilte, und sich eingeredet, das mache ihm nichts aus. Er hätte gern gewusst, wo sie sich in den Nächten herumtrieb, in denen sie sich nicht in seine klapprige Hütte am Seeufer schlich, aber sie hatte es ihm nicht verraten wollen, so dass er die Fragerei irgendwann aufgegeben hatte. Er hatte sich nicht so stark engagieren wollen, dass Eifersucht aufkommen konnte, aber er war noch ein halbes Kind gewesen, und irgendwann war die Sache doch eskaliert.
    Daran erinnerte er sich noch. Er musste an ihren lautstarken Streit denken, den viele Leute mit angehört hatten. Aber sonst konnte er sich an nichts mehr entsinnen: nicht daran, ob sie ihm erzählt hatte, mit wem sie sich traf. An nichts von dem, was sie ihm gesagt hatte und was ihn zur Wahrheit hätte führen können.
    Und er wusste auch nicht, ob er in seiner jugendlichen Raserei Hand an sie gelegt und sie ermordet hatte.
    Das war es jedenfalls, was die Geschworenen – all seinen Beteuerungen zum Trotz – geglaubt hatten: dass er sie umgebracht hatte, dass sein so genannter Filmriss nur eine bequeme Ausflucht war, um der gerechten Strafe zu entgehen. Aber niemand ahnte, dass er in jener Nacht im alten Flügel gewesen war. Zum Teufel, ihm selbst war das erst fünf Jahre später wieder eingefallen, und damals war er vollauf damit beschäftigt gewesen, all das hinter sich zu lassen.
    Jetzt war er bereit, sich zu erinnern, sich der Wahrheit zu stellen. Ganz gleich, wie furchtbar sie auch sein mochte.
    Er hatte keinen Grund gehabt, die anderen beiden Mädchen umzubringen. Er hatte sie kaum gekannt und nur mittwochabends beim Tanz ein paarmal mit ihnen geflirtet. Na ja, mit Valette hatte er einen One-Night-Stand gehabt, aber das hatte zu nichts geführt, und die meisten Leute hatten es gar nicht mitbekommen. Valette selbst hatte es zweifellos schnell wieder vergessen.
    Letzten Endes hatte die Polizei sich auch gar nicht die Mühe gemacht, ihm diese beiden anderen Morde

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