Das Haus der toten Mädchen
erwidern, aber das verkniff sie sich. Wenn das die Art von Smalltalk war, die Mr. Smith bevorzugte, dann mochte sie seine schweigsame Seite eindeutig lieber. „Ich will nicht unhöflich sein, aber ich habe heute eine Menge zu tun und keine Zeit für Geselligkeit.“
„Geselligkeit – so nennen Sie das?“ In seiner rauen Stimme schwang ein Unterton von Belustigung mit. Männer, die sich über sie amüsierten, konnte sie nicht ausstehen.
„Ich würde Ihnen sehr gerne eine Thermoskanne Kaffee mit auf den Weg geben. Wir sind darauf eingestellt, unseren Gästen welche auszuleihen.“
„Sie meinen, Sie würden mich sehr gerne loswerden und wären bereit, dafür so ziemlich alles zu tun“, stellte er richtig. „Glauben Sie mir, Ms. Davis, ich bin völlig ungefährlich.“
„Sicher“, murmelte sie. „Aber Sie unterschätzen die Wirkung ihrer schwelgerischen Schurkenmiene auf einen leicht zu beeindruckenden Teenager.“
„Schwelgerischen Schurkenmiene?“ Er wirkte ehrlich entsetzt.
„Ich bin fertig!“ Marty erschien in der Küchentür, jetzt in einem ultrakurzen Rock und einem Tube-Top.
„Fertig wofür?“ erkundigte sich Sophie.
„Ich helfe John, sein Haus zu putzen“, antwortete sie mit unbeschwerter Naivität. Das reichte schon fast aus, um Sophie zu erweichen: Manchmal hätte sie so gut wie alles getan, um Marty einmal lächeln zu sehen.
Sie mit diesem attraktiven Fremden ziehen zu lassen kam aber nicht in Frage. „Nein, das wirst du nicht“, gab sie unumwunden zurück. „Ich brauche deine Hilfe hier, und ich bin mir sicher, dass Mr. Smith in der Lage ist, das Whitten-Haus allein in Schuss zu bringen. Wenn er Hilfe benötigt, kann ich ihm ein paar Leute im Dorf nennen, die solche Jobs übernehmen.“
„Ich brauche wirklich keine …“, setzte er an, aber Marty platzte dazwischen, indem sie wie ein trotziges Kleinkind mit dem Fuß aufstampfte.
„Immer kommst du mir in die Quere, wenn ich mal tun will, was mir gefällt. Du erträgst es wohl nicht, wenn mir etwas Spaß macht! Warum sperrst du mich nicht gleich in eine Klosterzelle und wirfst den Schlüssel weg?“
Sophie holte tief Luft. „Wann bist du zu der Einsicht gelangt, dass Hausputz Spaß macht? Seit dem Tag unserer Ankunft jammerst du nur herum – warum, zum Teufel, reißt du dich plötzlich darum, mehr zu tun, als du hier gemacht hast –, und zwar unter ständigem Protest?“
„Vielleicht weil ich es will?“
„Und was hat das mit einem Kloster zu tun? Hattest du vor, ihm beim Hausputz zu helfen, oder wolltest du mit ihm ins Bett steigen?“
Smith verschluckte sich an seinem Kaffee.
„Du hasst mich!“ Marty schrie und tobte. „Schön, ich hasse dich auch!“ Damit stürmte sie aus der Küche und schlug die Tür hinter sich zu.
Sophie wollte ihrem ungerufenen Gast nicht in die Augen schauen. Inzwischen hätte sie sich an Martys Szenen gewöhnt haben sollen, aber sie hatte letzte Nacht nicht gut geschlafen, und aus irgendeinem Grund fühlte sie sich in Mr. Smiths Gegenwart unbehaglich. „Tut mir Leid“, sagte sie und wollte sich auch eine Tasse Kaffee einschenken. Sie vermied es, ihn anzusehen. „Meine Schwester ist in einem schwierigen Alter. Sie muss mit einer Menge Problemen fertig werden.“
„Tatsächlich? Auf mich wirkt sie ziemlich normal. Alle Teenager sind solche Plagegeister.“
Sie warf ihm einen Blick zu. „Haben Sie Kinder, Mr. Smith?“
„Nein, aber ich weiß noch, wie
ich
damals war. Und Sie?“
„Jedenfalls nicht so. Ich war zu beschäftigt mit meinen Verpflichtungen, um mich wie eine störrische Egoistin aufzuführen. Ich hatte keine Zeit zu rebellieren.“
„Vielleicht sollten Sie das nachholen, wenn sich mal die Gelegenheit ergibt“, meinte er gelassen.
„Ich bin eigentlich froh, dass ich diesen Teil des Erwachsenwerdens übersprungen habe.“ Sie blickte durchs Küchenfenster zum See hinunter, um nicht den attraktiven fremden Mann angucken zu müssen.
„Ich bin der Ansicht, dass man keinen Teil dieses Vorgangs ungestraft auslassen kann. Früher oder später holen einen diese Phasen ein, und dann bleibt einem nichts anderes übrig, als sie doch noch durchzumachen.“
„Hoffen wir, dass ich die berühmte Ausnahme von der Regel bin. Ich habe weder Zeit noch Lust, mich wie eine ausgeflippte, liebeskranke Göre zu benehmen.“
„Vielleicht weil Sie nicht wissen, was Ihnen da entgeht“, entgegnete er und stellte seine leere Tasse auf die Arbeitsfläche. Er hatte sich ausgerechnet
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