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Das Haus der toten Mädchen

Das Haus der toten Mädchen

Titel: Das Haus der toten Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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mir gefehlt.“
    Er spürte, wie er vor Angst eine Gänsehaut bekam, aber dann wurde ihm bewusst, mit wem er es zu tun hatte. „Ich bin zum ersten Mal hier, Grace“, stellte er geduldig klar.
    Sie zog die Brauen hoch. „Ach wirklich? Das hätte ich nicht gedacht. Möchten Sie Eiscreme?“
    „Nein, danke“, antwortete er. Tatsächlich hatte er überhaupt kein Eis im Kühlschrank, nicht einmal Vermonts Hausmarke „Ben & Jerry’s“. „Suchen Sie etwas Bestimmtes?“
    „Oh nein. Ich wollte Sie nur besuchen.“ Sie stieß einen Triumphschrei aus und fischte eine Dose Coke aus dem Kühlschrank. „Es macht Ihnen doch nichts aus, oder?“
    „Nein, mir nicht“, erwiderte er. „Aber glauben Sie nicht, dass Ihre Töchter sich Sorgen machen werden?“
    „Tochter“, verbesserte Gracey ihn freundlich und reichte ihm eine Dose Mineralwasser, während sie an ihm vorbeitanzte. „Martys Mutter ist diese jämmerliche Frau, die er geheiratet hat, nachdem ich ihm davongelaufen bin. Ich werfe dem Kind nicht vor, dass es sich gegen Eloise aufgelehnt hat, obwohl sie im Grunde doch ganz ordentliche Eltern abgegeben haben. Es ist schlimm, dass sie gestorben sind, aber Marty ist ganz gut darüber hinweggekommen. Ich wünschte nur, Sophie würde sich nicht so viele Sorgen machen. Mit ihr wird nichts schief gehen.“
    Er kam nicht mehr mit. „Mit wem?“
    „Mit beiden“, entgegnete Grace entschlossen. „Ich werde schon dafür sorgen. Also, junger Mann, nun erzählen Sie mal“, fuhr sie fort. Sie konnte rasant das Thema wechseln. „Warum sind Sie hier? Wegen der Morde, nicht wahr?“
    Sie machte es sich auf dem alten Sofa bequem und drapierte ihre weite Nachtgarderobe um sich, was ihm Zeit gab, sich eine Antwort zurechtzulegen.
    „Welche Morde?“
    Grace’ Gegacker hatte fast etwas Makabres. „Sie wissen sehr gut, welche Morde ich meine. Sie haben ihn gesehen.“
    „Gesehen? Wen?“
    „Den Mörder.“
    „Wie kommen Sie darauf, dass es ein Mann war?“
    „Ist“, verbesserte sie ihn in ihrer verrückten, warmherzigen Art. „Sperma.“
    Er blinzelte. „Wie bitte?“
    „Sperma. Die Mädchen hatten kurz zuvor Sex gehabt. Und Frauen produzieren kein Sperma.“ Sie lächelte süß und sah ihn weiter lauernd an.
    „Nein, in der Tat“, pflichtete er ihr bei. Sie hatte ihn völlig aus dem Konzept gebracht. „Grace, es ist mitten in der Nacht. Ich sollte Sie jetzt wirklich nach Hause bringen.“
    „Oh, würden Sie das tun? Das ist zu liebenswürdig. Ich bin überzeugt, dass Sophie sich schon furchtbar den Kopf zerbricht, wo ich stecken könnte. Sie macht sich immer Sorgen, die Ärmste. Sie braucht einen Mann.“ Sie musterte ihn. „Ich bin mir aber nicht sicher, ob Sie der Richtige wären.“
    „Ich habe nichts dergleichen angedeutet.“
    „Sie brauchen auch nichts anzudeuten“, sagte Grace. „Sie sind ein kluger Mann – das erkenne ich an Ihrem Blick, und ein kluger Mann wird auf jeden Fall zu dem Schluss kommen, dass Sophie die Mühe wert ist.“
    „Mühe?“
    „Aber ich denke nicht, dass Sie der Richtige sind. Ich glaube, Sie sollten vielleicht hier weggehen.“
    Er hatte Schwierigkeiten, ihrem Gedankengang zu folgen. „Warum?“
    „Weil Sie ihn gesehen haben“, wiederholte sie, nun beinahe schroff. „Und jetzt muss er Sie töten. Gehen Sie weg.“
    „Wer? Wer sollte mich töten wollen?“ Er hätte einfach den Mund halten sollen, statt nachzuhaken. Sie wirkte ganz normal und klang durch und durch vernünftig, wie sie da mitten in der Nacht in ihrem Bademantel und mit wirrem Haar auf seinem Sofa saß, aber sie schwirrte von einem Thema zum nächsten wie ein Kolibri von Blüte zu Blüte.
    Grace stand auf und kam ihm auf einmal geradezu majestätisch vor. „Bringen Sie mich nach Hause, junger Mann. Es wird spät. Sophie wird ziemlich sauer auf Sie sein, dass Sie mich so lange hier festgehalten haben.“
    Griffin seufzte. „Mit etwas Glück hat Sophie von Ihrer kleinen Nachtwanderung gar nichts bemerkt. Lassen Sie uns hoffen, dass sie noch schläft, wenn wir ankommen.“
    „Ich habe keine Nachtwanderung gemacht, sondern einen Anstandsbesuch.“ Grace strich umständlich ihr Nachthemd glatt, als wären es mehrere Lagen Krinoline. „Sie sollten mich nicht unterschätzen. Ich weiß genau, was ich tue.“
    Er blickte in ihre sanften, blassblauen Augen und hatte einen Moment lang wieder den Eindruck, einer völlig klaren Person gegenüberzustehen. Das musste an der Beleuchtung liegen. Oder war sie vielleicht

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