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Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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sie behält, meinst du nicht?«
    »Ich glaube nicht, dass ich hier je glücklich sein könnte. Und ich bin der Einzige, der noch da ist. Na ja – da wären noch meine Nichten, mein Neffe und meine Schwägerin. Aber ich bezweifle, dass sie in dieses Haus einziehen würde. Sie würde ihre Kinder niemals hierherbringen. Jedenfalls nicht, solange ich noch lebe«, erklärte er finster. Ein wenig bedrückt schnippte Leah die letzten Polsterkrümel von ihrer Jeans.
    »Aber dein Vater lebt doch noch. Und das ist sein Haus. Könntest du es denn überhaupt verkaufen, wenn du dich dafür entscheiden würdest?«
    »Ja. Ich habe als gesetzlicher Betreuer alle Vollmachten.«
    »Oh«, sagte Leah nur. Sie nippte an ihrem Tee und streckte die untergeschlagenen Beine aus. Sie hatte zu lange im Schneidersitz gesessen, und nun schoss ein grässliches Kribbeln und Brennen durch ihre Unterschenkel und Füße wie tausend beißende Ameisen. Unwillkürlich stampfte sie wie ein Kind mit den Füßen auf den Boden, um die Blutzirkulation anzukurbeln.
    Mark blickte auf und sah sie belustigt an. »Steh auf und hüpf ein bisschen auf und ab«, wies er sie an. »Das ist das Einzige, was hilft.« Mit verzerrtem Gesicht erhob Leah sich und hopste in Strümpfen mit geschlossenen Füßen über den fadenscheinigen Teppich der Bibliothek. Die Dielen wackel ten, und die trüben Glühbirnen über ihr summten leise. Als sie aufhörte, musste sie über ihre eigene Albernheit grinsen, und Mark lächelte bemüht, als sei sein Gesicht es nicht gewöhnt, diesen Ausdruck anzunehmen. »Besser?«, fragte er, und sie nickte. »Was willst du jetzt machen?«, fragte er zum zweiten Mal an diesem Tag. Leah sah ihm vorsichtig abschätzend in die Augen.
    »Dürfte ich deinen Vater kennenlernen?«
    Das Pflegeheim war ein klares, modernes Gebäude aus brau nem Klinker, bewachsen mit wildem Wein und von einer gepflegten Gartenanlage umgeben. Die Fenster waren blitzsauber, die Autos in ordentlichen Reihen geparkt. Zwei Tage waren vergangen, seit Leah Mark gebeten hatte, seinen Vater besuchen zu dürfen. Er parkte seinen Wagen – einen schlammbespritzten Renault – auf dem makellos sauberen, geteerten Platz, und der Ausdruck grimmiger Beklommenheit auf seinem Gesicht machte Leah nervös. Mark stellte den Motor ab, und sie saßen einen Moment lang schweigend nebeneinander und lauschten dem Ticken heißen Metalls.
    »Und, hast du inzwischen mehr herausgefunden? Über Theosophie und diesen Durrell?«, fragte Mark schließlich, als seien sie nur hierhergefahren, um ein wenig zu plaudern.
    »Durrant. Nein. Ich nehme an, er war eine ziemliche Eintagsfliege, denn in keinem der Bücher und Traktate nach neunzehnhundertelf ist er auch nur erwähnt. Das war das Jahr, in dem er die Fotos in Cold Ash Holt gemacht hat. Im Internet konnte ich auch nichts über ihn finden. Wenn er als Schwindler entlarvt wurde, ist er wahrscheinlich still und leise in der Versenkung verschwunden. Jedenfalls ist es, als hätte er sich nach diesem Sommer in Luft aufgelöst«, erklärte sie. »Vielleicht ist er auch in den Krieg gezogen, aber der begann ja erst drei Jahre später, und außerdem wäre das für einen Theosophen sehr ungewöhnlich gewesen. Nach allem, was ich gelesen habe, hätte er ziemlich sicher den Dienst an der Waffe verweigert. Den Theosophen war alles Leben heilig. Aber vielleicht hat er sich nach 1911 auch von der Theosophie abgewandt. Darüber kannst du mir allerdings Löcher in den Bauch fragen. Ich bin jetzt prak tisch Expertin. Öst liche Weisheitslehre trifft auf westlichen Spiritismus, es geht um die vielen Ebenen der geistigen Welt und um spirituelles Bewusstsein. Reinkarnation, Askese, Karma, Hellsichtig keit … Frag mich alles, was du willst.« Sie zähl te ihre Liste an den Fingern mit und lächelte ihn an. Marks Hände umklammerten immer noch das Lenkrad, und er sah sie mit verkniffenem, bedrücktem Gesicht von der Seite an.
    »Bereit, da reinzugehen?«, fragte er. Leahs Lächeln erlosch.
    »Und du?«, entgegnete sie. Mark nickte und öffnete seinen Sicherheitsgurt.
    »Du solltest nur nicht zu viel erwarten, okay?«, warnte er.
    Am Empfang wurden sie von einer freundlichen jungen Krankenschwester mit weichem rotem Haar begrüßt, die ihre Namen aufschrieb und ihnen Besucherausweise gab, die sie sich an die Kleidung hefteten. Das Innere des Gebäudes war hell und überheizt, und Leah zupfte am kurzen Rollkragen ihres Pullis, den sie auf einmal als drückend eng

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