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Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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ein Junge denn, Mr. Canning?«, fragte Leah und bemühte sich, einen Zusammenhang zwischen seinen vereinzelten Bemerkungen herzustellen.
    »Wer sind Sie, Miss?«, fragte Geoffrey und richtete den Blick wieder so erschreckend schnell und plötzlich auf sie.
    »Ich … ich bin Leah …«, stammelte sie, doch Geoffrey wandte sich seinem Sohn zu und stupste dessen Knie verschwörerisch mit der Hand an.
    »Blondinen haben schon was, hm?«, bemerkte er mit schelmischem Grinsen.
    »Das habe ich auch gehört«, stimmte Mark zu und sah Leah mit hochgezogener Augenbraue an. Sie holte tief Luft und wusste nicht mehr weiter. Geoffreys Gedanken hüpften und flatterten offenbar herum wie nervöse Spatzen, die sich binnen eines Augenblicks in der Luft zerstreuten.
    Der Himmel draußen zog sich zu – dicke graue Wolken, wie angeschwollen vor nicht vergossenem Regen. Das Licht im Zimmer wurde fahl, es sog sämtliche Farbe aus ihren Gesichtern und den hellen, funktionalen Möbeln. Mark sprang auf und schaltete hastig das Licht an, als könnte er die Düsternis nicht ertragen.
    »Mr. Canning? Können Sie mir etwas von Ihren Großeltern erzählen? Irgendetwas?«
    »Du vergeudest deine Zeit«, sagte Mark tonlos und kehrte zu seinem Stuhl zurück. Er schlug ein Bein über und rieb mit dem Daumennagel am Saum seiner Jeans.
    »Oder etwas von einem Skandal in der Familie? Etwas, das vor Ihrer Geburt passiert ist?«, drängte sie.
    »Leah …«, protestierte Mark matt.
    Geoffrey Canning wandte sich ihr zu und sah sie mit einem freundlichen, verständnislosen Gesichtsausdruck und leicht besorgtem Blick an, als wüsste er, dass er irgendetwas Wichtiges vergessen hatte. Leah lächelte ihm beruhigend zu und drückte seine Hand.
    »John Profumo. Das war damals der Skandal, kann ich Ihnen sagen! Ja. Reizendes Mädchen – die war ein Knaller!«, erzählte er ihnen. Geoffrey nickte, um seine Worte zu unterstreichen. Mark schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Ausgerechnet daran kann er sich erinnern! Aber er hatte schon immer eine große Schwäche für Christine Keeler.«
    »Es ist wohl wirklich nicht sehr wahrscheinlich, dass er sich an irgendwelchen Familienklatsch erinnern kann, den er als Kind gehört hat«, gestand Leah ein wenig enttäuscht.
    »Die Erinnerungen sind da, nur …« Mark drehte eine Hand zwischen ihnen in der Luft hin und her. »Er kommt nicht dran. Sie sind völlig durcheinander. Die Bahnen zwischen Erinnerungen und Gedanken funktionieren nicht mehr so, wie sie sollten. Da gibt es keine Verbindung …«
    »Vielleicht weiß er überhaupt nichts von den Feenfotos. Das war schließlich kein Riesenskandal. Wahrscheinlich war die Sache schon ein paar Jahre später vergessen …« Leah seufzte.
    »Feenfotos? Das war nicht der Skandal! O nein. Es gab große Geheimnisse, Sachen, über die wir nicht reden durften. Wenn ich doch danach gefragt habe, hieß es immer nur ›Feenfotos‹, aber das war nicht das Geheimnis. Ich habe gehört, wie sie darüber geredet haben. Das war nicht der große Skandal bei uns zu Hause, o nein«, erzählte Geoffrey und schüttelte nachdrücklich den Kopf. Leahs Herz begann zu pochen, sie packte seine Hand fester, und er lächelte erfreut.
    »Was war denn das große Geheimnis, Mr. Canning?«, fragte sie gespannt. Geoffrey beugte sich zu ihr herüber und genoss das Drama sichtlich.
    »Mord!« , flüsterte er und riss dabei die Augen weit auf wie ein Kind. »Jawohl, Mord !«
    Leah lief ein Schauer über den Rücken. Etwas an der Art, wie Geoffrey Cannings Augen aufleuchteten und er das Wort flüsterte, wirkte so, als ahmte er es genauso nach, wie er es einst gehört hatte. Auf einmal war sie sicher, dass dies eine echte Erinnerung war. Dieses Verbrechen war tatsächlich geschehen, und das war es, was Hester Canning so verfolgt hatte. Mord!

9
    1911
    »Die sind einfach großartig. Phänomenal. Wahrhaftig, was für wunderbare Bilder«, haucht Albert und beugt sich tief über den Tisch, das Gesicht ganz dicht über den Fotografien, als wolle er sie nicht besudeln, indem er sie berührt. Robin Durrant strahlt triumphierend über das ganze Gesicht. Er bringt anscheinend kein Wort heraus und legt dem Pfarrer stattdessen eine Hand auf die Schulter. Albert hebt seinerseits eine Hand, legt sie auf die des Theosophen und umklammert fest dessen Finger. Aus irgendeinem Grund lenkt die innige Leidenschaft dieser Berührung Hester von den Bildern ab, und sie rückt näher an ihren Mann heran und legt ihm sacht eine Hand auf

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