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Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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traurig nickte.
    »Nein, keineswegs! Ich komme ganz nach meiner Mutter. Das haben alle gesagt, schon immer. Das sind Giddons -Hände!«, erklärte Geoffrey so unvermittelt, dass Leah und Mark zusammenfuhren. Er hob die Hände mit gespreizten Fingern vor Leahs Gesicht, hob sie so lange hoch, bis die Muskeln in seinen Armen zu protestieren begannen und ein leichtes Zittern sich von den Schultern bis hin zu den Fingerspitzen ausbreitete.
    »So ist es, Dad«, sagte Mark und führte die Hände des alten Mannes sacht auf dessen Schoß zurück. Geoffrey wirkte niedergeschlagen und verwirrt, als könne er sich nicht erinnern, weshalb er sie überhaupt erhoben hatte.
    »Ich verstehe nicht, warum Sie mich ständig so nen nen«, brummte er kläglich. Mark warf Leah einen trostlosen Blick zu.
    »Soll ich uns einen Tee holen?«, fragte sie betont munter, und als niemand antwortete, stand sie auf und schlüpfte hinaus. Im Aufenthaltsraum am Ende des Flurs füllte sie drei Becher mit heißem Wasser aus einem dampfenden Kessel, ließ in jeden einen Teebeutel fallen und stellte sie mit einem kleinen blechernen Milchkännchen auf ein Tablett.
    »Sind Sie vom Club?«, fragte eine alte Dame, die so lautlos hinter ihr erschienen war, dass Leah zusammenschrak. Sie war sehr klein, zart wie ein Vogel und so schmal, dass es in Leahs Augen an ein Wunder grenzte, dass sie ohne fremde Hilfe überhaupt stehen konnte. Dünne, weiße Strähnen standen von ihrer runzligen Kopfhaut ab wie der Flaum einer Pusteblume.
    »Nein, bin ich nicht.« Leah lächelte unbehaglich. Die Frau machte ein langes Gesicht, als sei das eine schreckliche Enttäuschung.
    »Na, wann kommen die denn? Mir hat man gesagt, am Dienstag, das hat man mir gesagt, ja. Wenn sie nicht bald kommen, wird es zu spät sein …«, klagte sie ängstlich mit zitternder Stimme.
    »Es tut mir leid … äh … Ich weiß nicht, wann sie kommen«, antwortete Leah. »Aber sicher bald.« Die alte Dame sagte nichts mehr, blieb aber vor ihr stehen und blickte so erwartungsvoll zu ihr auf, dass Leah verlegen das Tablett anhob und davonging, wobei sie sich auf grässliche, undefinierbare Weise schuldig fühlte. Dieser Ort war wie ein Kreuzungspunkt, ein Übergang zu unzähligen anderen Welten, überlegte sie. Ein Ort, an dem Zeit und Bedeutung sich von Person zu Person veränderten und die Welten, in denen diese Menschen lebten – wirkliche, vergangene oder eingebildete – einander überschnitten.
    In Zimmer elf angekommen, rührte Leah die Teebeutel herum, drückte sie dann aus und nahm sie aus den Bechern. Während sie damit beschäftigt war, fragte Mark seinen Vater nach dessen Gesundheit und wie er hier behandelt wurde. Er erhielt nur wenige Antworten, die meisten davon völlig zusammenhanglos.
    »Ich habe mir Ihr wunderbares Haus angesehen, Mr. Canning. Das alte Pfarrhaus«, sagte Leah, als sie zwei Becher vor die Männer hinstellte. »Ich liebe alte Gebäude. Es muss herrlich sein, in einem Haus mit so viel Geschichte zu wohnen.«
    »Meine Großeltern haben es von der Kirche gekauft, wissen Sie? Nach dem Krieg. Er war ein Geistlicher«, erklärte Geoffrey so klar und selbstverständlich, als hätten sie sich schon den ganzen Vormittag lang darüber unterhalten.
    »So ist es. Reverend Albert Canning«, sagte Leah ermunternd, doch Geoffrey räusperte sich wieder und tastete am Henkel seines Bechers herum, als passte sein Finger nicht hindurch, was natürlich nicht stimmte.
    »Pass ja auf, dass die Kinder nicht in der Nähe des Brunnens spielen«, sagte er und hob mahnend den Zeigefinger.
    »Ja, natürlich«, antwortete Leah vorsichtig. Geoffrey nickte befriedigt. »Erinnern Sie sich an Ihre Großeltern, Mr. Canning? Ich hatte gehofft, Sie könnten mir etwas über sie erzählen. Vor allem über Ihre Großmutter – Hester Canning? Ich habe ein paar Briefe von ihr gefunden …«
    »Ich bin nicht taub, wissen Sie?« Geoffrey klang leicht beleidigt. Leah biss sich innerlich auf die Zunge. Sie hatte unwillkürlich lauter gesprochen in der Hoffnung, zu ihm durchzudringen.
    »Verzeihung«, sagte sie und warf Mark einen hilflosen Blick zu, der resigniert mit den Achseln zuckte. Leah wartete eine Weile, doch Geoffrey hatte sich wieder seiner gründlichen Überwachung des Gartens zugewandt.
    »Spielt nie in der Nähe des Brunnens. Darin hat der Geist eines kleinen Jungen gehaust, wisst ihr? Ein toter kleiner Junge«, murmelte der alte Mann, dessen Stimme immer dünner und brüchiger klang.
    »Was für

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