Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)
dass die ganze Begeisterung sich rasch wieder legt. Eine Auswirkung dieser außergewöhnlich heißen Witterung, mehr nicht«, sagt sie schließlich.
»Skepsis? Albert verfasst in diesem Moment eine Abhandlung über die Aufnahmen! Die beiden wollen damit an die Presse gehen und die Fotografien veröffentlichen … Das bedeutet doch gewiss, dass Mr. Durrant die Wahrheit sagt? Dass er niemanden täuschen will? Ansonsten würde er es doch kaum riskieren, sich in dieser Form der Öffentlichkeit zu stellen?«
»Aber was hat er denn schon zu verlieren, Hetty? Er ist ein Unbekannter, der bekannt werden will, während Albert einen guten Ruf genießt und sich eine bedeutende Rolle und großes Ansehen in Kirche und Gesellschaft erworben hat. Er verleiht diesem Projekt den Anstrich der Seriosität, und wenn es dann einen Skandal geben sollte …« Amelias Gesicht ist ernst.
»Dann hätte Albert sehr viel mehr zu verlieren als Mr. Durrant?«
»So ist es, meine Liebe.«
»Aber was kann ich nur tun?«, ruft Hester aus, und vor Angst treten ihr Tränen in die Augen. Amelia ergreift die Hände ihrer Schwester und drückt sie.
»Jetzt schau nicht so ängstlich drein! Wahrscheinlich verläuft das alles ohnehin im Sande. Und vielleicht hat es sogar sein Gutes, wenn diese Fotografien veröffentlicht werden. Falls sie genug Aufmerksamkeit erregen, wird Mr. Durrant damit höchstwahrscheinlich auf Vortragsreise gehen oder so etwas. Vielleicht verlässt er das Pfarrhaus dann schon recht bald.«
»Ach, meinst du?«, fragt Hester hoffnungsvoll.
»Du kannst nur das Beste hoffen – und abwarten, was geschieht«, antwortet Amelia und lächelt ihre Schwester an, doch ihr Blick bleibt tiefernst.
Am Fluss planschen die Kinder aus Thatcham im grünlichen Wasser. Kreischend vor Vergnügen springen sie von der Brücke und paddeln von einem Ufer zum anderen, wo das Gras bereits in den Matsch getrampelt ist. Ellie und John beobachten sie voll neidischer Wut, denn sie wissen, dass sie ihre Mutter nicht einmal zu fragen brauchen, ob sie mitmachen könnten. Sie starren die anderen Kinder an, kauen missmutig auf ihren Lakritzstangen herum und fahren sich mit geschwärzten Zungen über grau verfärbte Lippen. Hier am Fluss ist es kühler, denn die hohen Kastanien spenden Schatten, und das Wasser erfrischt die Luft. Die beiden Schwestern spazieren sehr langsam dahin und lassen sich schließlich auf einer Bank nieder. Es sind keine Enten zum Füttern da, weil die Dorfkinder einen solchen Lärm machen.
»Ich wünschte wirklich, du müsstest nicht schon morgen in die Stadt zurückkehren, Amy«, sagt Hester leise.
»Ich auch, Liebste. Aber wir müssen zurück. Ich habe mit meinem Mann viel zu besprechen.«
»Was wirst du ihm sagen?«
»Genau das, was ich dir gesagt habe. Dass ich ihn nicht mehr lieben kann, wenn er so weitermacht. Vielleicht wird ihn das nicht berühren.« Sie zuckt traurig mit den Schultern. »Vielleicht doch. Aber was kann ich sonst tun?«
»Ja, was kann eine Frau tun?«, bestätigt Hester. Sie denkt an Cat und lächelt. »Mein Dienstmädchen Cat würde uns dafür schelten, dass wir uns so einfach in unser Schicksal ergeben. Immerhin war sie im Gefängnis, um das Wahlrecht für uns zu erstreiten.«
»Das war also der Grund dafür? Wie lächerlich. Diese dummen Vandalinnen richten mehr Schaden an, als sie Gutes bewirken.«
»Allerdings«, murmelt Hester. »Hast du denn für mich noch irgendeinen Rat? Was das … Ehebett betrifft?«, fragt sie, und obwohl sie sich um einen unbeschwerten Tonfall bemüht, kommen die Worte mit einem Zittern über ihre Lippen, das so schwach klingt, als könne sie jeden Moment daran zerbrechen. Amelia drückt erneut ihre Hände.
»Nur dies: Wenn du nah bei ihm liegst und sanft darum bittest, von ihm umarmt zu werden, hast du das Deine getan. Dann liegt es allein an Albert, nicht mehr an dir. Ich kann dir also nicht helfen, weil du nicht das Problem bist«, erklärt sie.
»Ja. Das befürchte ich inzwischen auch.«
»Nun wird Mr. Durrant wohl zu neuen Ufern aufbrechen«, sagt Hester zu Albert in der plötzlichen Dunkelheit des Schlafzimmers, nachdem die Lampen gelöscht wurden. Sie liegt auf dem kühlen Laken, die Decke hat sie zur Seite geschlagen, und durch das offene Fenster, das ein wenig frischere Luft hereinlassen soll, hallt das ferne Gebell eines Hundes vom Dorf herüber. Sie dreht sich auf die Seite, wendet sich Albert zu, wie sie es im Bett immer tut, und betrachtet sein Profil im blassen
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