Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)
…«
»Aber das ist ein und dasselbe! Wenn du nur ein paar der Geschichten gehört hättest, die Frauen in London berichten – was ihnen die Ehe gebracht hat, wie sie behandelt wurden. Wenn ich dich heirate, hättest du das Recht, mich zu schlagen! Mir mein Geld wegzunehmen, meine Kinder, alles, was ich besitze, was, bei Gott, ohnehin nicht viel ist … Es wäre dein gutes Recht, dir an meinem Körper Lust zu verschaffen, ob ich das will oder nicht! Mich einzusperren und nie wieder ans Tageslicht zu lassen. Du hättest das Recht …« Ihr geht der Atem aus, sie muss husten und bemerkt, dass ihre Hände zittern, solche Angst machen ihr die eigenen Worte.
»Ich würde so etwas nie tun, nichts von alledem! Glaubst du das etwa von mir?«, fragt er betroffen.
»Nein! Ich glaube nicht, dass du so etwas tun würdest, George. Ich spreche nur vom Stand der Ehe und warum ich nicht bereit bin, in diesen Stand zu treten. Weder mit dir noch mit sonst irgendeinem Mann!«, ruft sie aus. » Niemand wird mich besitzen!«
Ihren Worten folgt nur Stille von draußen. George wendet sich von ihr ab, setzt sich wieder aufs Bett und sieht sie nicht an. Cat schluckt, ihre Kehle ist ausgedörrt und schmerzt. Sie zögert noch kurz, dann klettert sie aus der Kabine und macht sich auf den Weg zurück nach Cold Ash Holt.
Aus dem Tagebuch des Reverend Albert Canning
Dienstag, 18. Juli 1911
Heute ist Robin nach London abgereist. Er hat ein Telegramm vorausgeschickt und um eine Besprechung mit den höchsten Rän gen der Theosophischen Gesellschaft angesucht. Zwar erhielt er vor seiner Abreise keine Antwort, doch ich bin sicher, dass die Beweise, die er hier endlich bekommen konnte, auf größte Begeisterung stoßen werden. Dann kann man sogleich mit den Überlegungen und Planungen beginnen, wie sie am besten zu nutzen sind, um die Bildung und Aufklärung der Menschen zu fördern. Das Wissen, dass solche Dinge so nahe sind, ist, als wandelte man im Schatten Gottes. Es ist eine ständige Ablenkung, und welch glorreiche Ablenkung! Ich kann kaum mehr an etwas anderes denken. Ich sehne mich danach, wieder im Morgengrauen mit Robin durch die Auen zu streifen und von diesem machtvollen Gefühl der Richtigkeit erfasst zu werden, das mich in solchen Augenblicken überkommt. Ja, ich sehne mich dorthin. Danach erscheint mir die menschliche Rasse im hellen Tageslicht ausgesprochen armselig und unwürdig. Ich stelle fest, dass meine Gemeindemitglieder mich beinahe anwidern mit ihren Krankheiten, ihrer Pietätlosigkeit, ihrer Besessenheit von materiellen Dingen und ihrer Lüsternheit. Sie zur Erkenntnis der Wahrheit zu bringen wäre eine wahrhaft gewaltige Aufgabe, und zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ein selbstsüchtiger Teil von mir es lieber gar nicht versuchen, sondern diese fantastische Entdeckung als unser Geheimnis hüten würde, das ich allein mit Robin teile. Doch das ist nicht der Weg der Theosophie, und ich muss mich bemühen, derartige Gedanken zu unterdrücken.
In letzter Zeit kann ich nicht mehr schlafen. Ich liege wach, bis die Vögel zu singen beginnen, gefesselt von Gedanken an die Wunder dieser Welt und wie kurz davor ich stehe, mit ihnen in Verbin dung treten zu können. Denn Wissen ist der erste Schritt zur Erleuchtung , und von der Warte der Erleuchtung aus enthüllt sich der Weg zu klarerer innerer Sicht und einem höheren Bewusstsein. Ich glaube, ich kann deshalb nicht schlafen, weil mein inneres Auge erwacht. Wenn ich dann irgendwann doch einschlafe, in der ersten Stunde nach dem Morgengrauen, werde ich von Träumen gequält, sehr verstörenden Träumen. Meine menschlichen Zweifel und Ängste stellen sich wieder ein, um mich zu verhöhnen und meine Entschlossenheit auf die Probe zu stellen. In solchen Träumen sehe ich oft Robin Durrants Gesicht, als riefe er nach mir, um mich zu führen. Selbst nach dem Erwachen bleibt mir sein Gesicht vor Augen. Er ist stets in meinen Gedanken, und ich fühle seinen wohlwollenden, liebevollen Einfluss in allem, was ich tue. Die Tage werden mir sehr lang sein und sehr leer, solange er fort ist. Ich wünschte, er hätte mich gebeten, ihn zu begleiten, damit ich an seiner Seite bleiben und ihm in dieser Zeit gewaltiger Veränderungen beistehen kann.
Die Aura seliger Harmonie und reichen Wissens, die der Theosoph ausstrahlt, vermag ich nicht hinreichend zu erklären. Er ist ein beispielhafter Mann. So soll ein Mensch sein! Seine Geduld und Belesenheit, seine Art, allen Dingen mit
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