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Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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mit ihren verdammten Schlagzeilen über ›Kain und Abel‹. Karen hat den Kindern die abscheulichsten Dinge über mich erzählt, Leah. Ich weiß nicht, ob ich sie je wiedersehen werde. Ob sie mir jemals verzeihen werden.«
    »Aber wussten sie denn, dass er sterben würde? War ihnen das klar?«
    »Ich weiß es nicht. Ich habe nie mit ihnen darüber gesprochen. Karen hat immer gesagt, das sei ihre Sache. Ich weiß nicht, was sie ihnen erzählt hat. Ich weiß es einfach nicht.«
    »Aber wenn sie erst älter sind und sich selbst darüber informieren können, wie krank ihr Vater wirklich war, dann werden sie dich sicher wiedersehen wollen«, versuchte sie ihn zu trösten.
    »Tja, das bleibt abzuwarten. Jetzt gibt es erst einmal nur Dad und mich. Er ist die einzige Familie, die ich noch habe. Oder vielmehr der Einzige aus meiner Familie, der noch mit mir spricht. Manchmal.«
    »Wie furchtbar. Ach, Mark, ich weiß einfach nicht, was ich sagen soll«, erklärte Leah hilflos.
    »Da gibt es nichts zu sagen. Aber jetzt weißt du alles, und ich würde zu gern behaupten, dass ich mich besser fühle, nachdem ich es dir erzählt habe. Tue ich aber nicht.« Er holte tief Luft und stieß sie als langes, bebendes Seufzen wieder aus.
    »Es ist viel zu früh, du kannst nicht erwarten, dass es dir jetzt schon besser geht«, entgegnete sie vorsichtig. »Du hast deinen Bruder verloren, und durch den ganzen Mist, der danach passiert ist, hattest du noch gar keine Chance, um ihn zu trauern.«
    »Na ja, jetzt habe ich dafür reichlich Zeit, oder? Meine Firma hat mich natürlich gefeuert. So viel zum Thema ›unschuldig, bis die Schuld bewiesen ist‹. Die haben behauptet, meine Leistung habe sich schon seit einiger Zeit stetig verschlechtert, und das hätte nichts mit dem bevorstehenden Prozess zu tun. Schwachsinn.«
    »Wir könnten sie verklagen«, sagte Leah. Wir. Wie unerwartet ihr das Wort über die Lippen geschlüpft war. Ein Kribbeln durchzuckte ihren Magen, doch Mark schien gar nichts zu bemerken.
    »Wozu? Ich will nichts davon zurückhaben. Nichts von diesem alten Leben. Wie kann überhaupt irgendwer zu dem zurückkehren, wie es vorher war, wenn einem alles um die Ohren geflogen ist? Man muss eben ganz neu anfangen. Also, warum nicht an einem neuen Ort, mit einem neuen Job?« Mark trank einen Schluck von seinem Wein.
    »Ja, man muss wirklich neu anfangen«, stimmte Leah ihm zu. Die Falten waren fast aus seinem Gesicht verschwunden, vom Kerzenschein weichgezeichnet und verwischt. Sie griff über den Tisch hinweg nach seinen Händen, um sie kurz zu drücken und ihm durch die Berührung ein wenig Kraft zu schenken. Doch Mark packte ihre Finger und ließ sie nicht wieder los. Leah begegnete seinem Blick, und die mitfühlende Betroffenheit über seinen Schmerz verwandelte sich in ein Gefühl von Angst.
    »Bleib heute Nacht hier«, sagte er. Leah öffnete den Mund, doch sie brachte kein Wort heraus, denn das Herz schlug ihr bis zum Hals und schnürte ihr die Kehle zu. Das Schweigen zog sich in die Länge, und Mark ließ ihre Hände los. »Es gibt reichlich Gästezimmer«, sagte er verlegen.
    Leah atmete tief durch. »Ich gehe lieber zum Pub zurück. Ist ja wirklich nicht weit«, erwiderte sie.
    Marks Mund verzog sich zu einem angedeuteten Lächeln. »Natürlich«, sagte er.
    Am nächsten Morgen stand Leah früh auf und trank ihren ersten Kaffee am Fenster ihres Zimmers. Die Scheiben waren leicht beschlagen von ihrem eigenen Atem in der Nacht, und der Tag draußen wurde nur zaghaft hell. Von dem vielen Wein am Abend zuvor war ihr Kopf schwer und sehr empfindlich, und sie brachte keinen klaren Gedanken über Mark und ihre lange Unterhaltung zustande. Von unten war betriebsamer Lärm zu hören, in der Küche klapperten Töpfe und Besteck. Der Duft von gebratenem Speck stieg die Treppe herauf und kroch unter ihrer Tür hindurch, und ihr Magen knurrte, doch sie hatte keine Zeit zum Frühstücken.
    Sobald die Bibliothek um halb zehn öffnete, war Leah da. Man zeigte ihr das Mikrofiche-Archiv und erklärte ihr das Lesegerät, und bald arbeitete sie sich mit erwartungsvoll klopfendem Herzen durch einhundert Jahre alte Ausgaben der Lokalzeitungen. Sie ließ sich von ihrer Intuition leiten und begann mit dem Jahr, in dem Robin Durrants später entlarvte Fotografien entstanden waren. Aufgrund der Andeutungen in Hesters Briefen fing sie mit den Sommermonaten an. Sie hatte den August 1911 noch nicht halb durchgesehen, als ihr der Atem stockte und sie

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