Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)
leises Lachen hinter sich, fährt herum und sieht Robin Durrant auf sich zukommen. Er trägt dieselbe zerknitterte Hose wie schon den ganzen Tag über, und sein Hemd ist offen. Seine Brust ist glatt und flach, die Haut straff über das Schattenrelief seiner Rippen gespannt. Dunkle Härchen bilden eine verschwommene Raute in der Mitte und ziehen sich hinab zu seinem Bauch. Hester stockt der Atem, sie wendet hastig den Blick ab. So viel hat sie noch von keinem Mann außer Albert gesehen. Robin ist breiter, kräftiger, irgendwie solider gebaut als ihr Mann. Er scheint mehr von einem Tier zu haben, weniger verletzlich zu sein.
»Macht der Donner Ihnen Angst?«, fragt er leise. Sein freundlicher, ja liebevoller Tonfall ist etwas, wovor ihr inzwischen graut.
»Nein«, flüstert sie und schüttelt den Kopf. Sie weicht einen Schritt zurück, doch ihre Schenkel stoßen an das breite Fensterbrett, sodass sie sich daran festhalten muss, um nicht zu straucheln. Sie steckt in der Falle. Robin schlendert auf sie zu und bleibt zu dicht vor ihr stehen. Er scheint über ihr aufzuragen, obgleich er nicht viel größer ist als sie. Hester starrt auf ihre Füße, dann an ihm vorbei zur offenen Tür, und stellt sich vor, einfach hindurchzugehen. Sein Geruch dringt ihr in die Nase. Wieder etwas Animalisches, nicht ganz frisch nach diesem heißen Tag, aber dennoch unwiderstehlich. Sie kämpft gegen den Drang an, ihn tiefer einzuatmen.
»Mache ich dir Angst?«, fragt er, und Hester schweigt. »Vor irgendetwas fürchtest du dich doch, liebe Hetty. Du zitterst wie Espenlaub.«
»Bitte …«, bringt sie nur hervor, denn ihr bleiben die Worte in der Kehle stecken, sie verheddern sich miteinander und weigern sich, ausgesprochen zu werden. »Bitte lassen Sie mich in Ruhe.«
»Nicht doch, sei nicht so. Du hältst wohl Ausschau nach Albert?« Er blickt einen Moment lang in den strömenden Regen hinaus und schnaubt dann verächtlich. »Ich wünschte, ich könnte dir sagen, wo er ist. Ich weiß, dass du mir die Schuld an seinem plötzlichen missionarischen Eifer gibst, Hetty, aber ich schwöre dir, dass ich ihm nie zu mehr christlicher Frömmigkeit geraten habe. Zumindest war das nicht meine Absicht. Seine Auffassung dessen, was ich ihn zu lehren versuche, ist auf irgendein falsches Gleis geraten.«
»Sie haben ihn halb um den Verstand gebracht!« Hesters Stimme klingt erstickt.
»Ich doch nicht! Was sollte mir daran liegen, dass er verrückt wird? Er hat sich als äußerst aufgeweckter Schüler und nützlicher Kollege erwiesen … zumindest anfangs. Aber keine Sorge. Ich glaube, er braucht einfach nur Schlaf. Wenn ich weg bin, wird er sich schon wieder beruhigen.«
»Sie gehen weg?«, japst Hester voll neuer Hoffnung. Robin lächelt. Er ergreift ihre schlaffe Hand und drückt sie an seine nackte Brust. Ihr Herz macht einen schrecklichen Satz. Die Welt ist so verwandelt, dass sie nichts mehr versteht und hilflos ist, unfähig zu handeln, als säße sie in einem winzigen Boot, das auf einen Mahlstrom zutreibt. Seine Haut ist heiß und trocken. Hester spürt die Härchen leicht unter ihren Fingerspitzen piksen.
»Bald, bald. Wirst du denn so froh sein, mich gehen zu sehen?«
»Ja! O ja!«, stößt Hester hervor und beginnt zu weinen. Sie versucht nicht einmal, ihre Tränen zu verbergen. Sie wendet weder das Gesicht ab noch hebt sie die Hand, um sich die Augen zu trocknen. Robin Durrant wirft einen einzigen forschenden Blick in ihr bekümmertes Gesicht und bricht dann in schallendes Gelächter aus.
»Hester! Meine liebe Kleine, weshalb diese Aufregung, diese Sorge? Hör auf damit, das macht dich nur hässlich. Warum wünschst du dir so sehr, dass ich fortgehe? War ich denn ein so unerträglicher Gast?« Er schmiegt eine Hand an ihr Gesicht und streicht mit dem Daumen den Wangenknochen entlang.
»Weil … weil Bertie Sie so liebt! Er liebt Sie sogar viel mehr als mich. Mehr, als er mich jemals geliebt hat. Solange Sie hier sind, könnte ich ebenso gut gar nicht existieren!«
»Nein, nein! Da irrst du dich, Hetty. Er liebt dich sehr wohl. Alberts Problem liegt anderswo. Was er für mich empfindet, ist nicht Liebe, sondern etwas anderes. Wahrscheinlich weiß er nicht einmal selbst davon. Oder er will es sich nicht eingestehen.«
Langsam versiegen Hesters Tränen. Sie bemerkt, dass ihre Hand, obwohl er sie losgelassen hat, noch immer an seiner Brust ruht. »Was ist es dann? Was empfindet er?«, fragt sie.
Robin tritt noch einen kleinen
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