Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)
nicht mehr verlassen werde. Das gefällt mir nicht, aber ich habe es ihr geschworen!«
»Dann werden wir uns wohl nicht mehr oft sehen. Nicht wie vorher. Wenn du dein Wort halten willst«, sagt George stirnrunzelnd.
»In gewisser Weise werde ich es halten, es spielt aber gar keine Rolle mehr …«
»Was soll das heißen? Komm – komm und setz dich. Du bekommst noch einen Sonnenstich!« Er zieht sie sacht in den Schatten der Kabine, und sie setzen sich auf die Stufen. »Was meinst du damit, es spielt keine Rolle mehr?«
»George«, sagt Cat. Sie sieht ihn an, voller Liebe, schmiegt die Hand an die raue Haut seiner Wange. »Ich kann dort nicht mehr bleiben. Obwohl ich meine Tür jetzt nachts wieder aufschließen kann, bin ich doch immer noch eine Gefangene. Ich lasse es mir nicht gefallen, dass der Pfarrer den Kopf abwendet, als müsste man sich vor mir ekeln! Ich lasse es mir nicht länger gefallen, dass man mir sagt, wo ich zu sein habe und wie ich zu sein habe, in jedem Augenblick meines Lebens! Sogar die Pfarrersfrau … sie will mir zwar helfen, aber trotzdem ein geistloses Arbeitstier aus mir machen. Sie versucht, über meine Gedanken und Handlungen zu bestimmen, und das – will – ich – nicht! Nie mehr!«, ruft sie kopfschüttelnd aus und unterstreicht ihre Worte, indem sie sich mit den Händen auf die knochigen Knie klatscht. Ihre Haut brennt, wo sie sich selbst schlägt, und das fühlt sich gut an.
»Und, worauf willst du hinaus?« George runzelt immer noch die Brauen, ist sich ihrer ebenso unsicher wie seiner selbst.
»Ich will fortgehen. Ich werde weglaufen. Vorher muss ich nur noch eine Sache erledigen, und das wird schon bald sein. Danach werde ich verschwinden wie der Nebel am Morgen, wie ein Wort im Wind. Ich werde mich aus dem Haus schleichen, und keiner von ihnen wird mich aufhalten können oder wissen, wohin ich gegangen bin. Dann sollen sie mal sehen, wie sie über mich bestimmen! Ob sie mich besitzen! Ich gehöre ihnen nicht! Aber wohin ich gehe, das liegt ganz bei dir, George.«
»Ach ja?«
»Ich werde von dort weglaufen, und zwar geradewegs zu dir, wenn du mich noch willst. Ich werde dich nicht heiraten, George, aber ich werde bei dir bleiben und dir immer treu sein. Ich brauche deine Antwort – jetzt, in diesem Augenblick. Und wenn nicht, dann laufe ich trotzdem davon, obwohl es mir das Herz brechen würde, George. Du würdest mir das Herz brechen.«
»Würde ich nie«, sagt er, und die Worte klingen ein wenig zittrig. »Um nichts in der Welt würde ich dir das Herz brechen, und du gehörst zu mir, ob wir nun verheiratet sind oder nicht.« Er umfasst ihren Hinterkopf und presst ihre Stirn so fest an seine, dass es beinahe wehtut. »Also lauf fort, Cat. Wann immer du kannst. Ich warte auf dich.«
Cat hört sein Versprechen und lächelt, und das Lächeln setzt sich fort und rieselt einmal ganz durch sie hindurch – wie früher, als sie noch ein kleines Mädchen war. George küsst sie, aber sie kann immer noch nicht aufhören, und das Lächeln wird zu einem Lachen, das auf George überspringt. Ein Lachen der Erleichterung, der schieren Lebensfreude.
»Herrgott, Cat – deine Küsse schmecken heute aber salzig!«, sagt George.
»Ach, ich schwitze schon so furchtbar, seit die Sonne aufgegangen ist!« Wieder fährt sie sich mit den Händen übers Gesicht, aber die sind genauso feucht und klebrig, und schmuddelig obendrein.
»Was ist das für eine Sache, die du noch erledigen musst?«
»Das kann ich dir nicht sagen. Ich finde es scheußlich, Geheimnisse vor dir zu haben, aber solange ich noch in die ses Haus zurückkehren muss, bleibt mir nichts anderes übrig. Sobald wir fort sind, erzähle ich dir alles, versprochen.«
»Hat es etwas mit dem Geld zu tun? Kommt das viele Geld daher?« Seine Stimme klingt schwer vor Sorge.
»Ja. Ich habe lange und gründlich darüber nachgedacht, und ich kann dir versichern, dass ich damit gegen kein Gesetz verstoße. Aber frag mich jetzt nicht weiter danach, ich bitte dich«, sagt sie und drückt seine Hand. George hebt ihre ineinander verschlungenen Finger, küsst Cats zarte Fingerknöchel und nickt.
»Du würdest dich doch nicht einem anderen Mann hingeben, oder, Cat?«, fragt er leise. Sie packt seine Hand, so fest sie kann.
»Niemals, George. Das schwöre ich.« Das Wasser unter dem Boot schwappt mit einem Geräusch gegen den Rumpf, als würde etwas leise zerreißen. Im Schatten der Bäume ist die Oberfläche schwärzlich grün, und
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