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Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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haben, von denen man so hört!«
    »Ich habe etwas getan. Und dafür im Gefängnis gesessen. Dieser Teil ist wahr. Und was mir und anderen Frauen dort angetan wurde, war viel schlimmer als die Strafe, die wir vielleicht verdient hätten. Viel schlimmer als unser Vergehen, wenn es denn eines war. Seither fürchte ich mich nicht mehr. Weder vor Gerüchten noch vor den erbärmlichen, kleinlichen Weibern, die sie verbreiten«, sagt Cat zornig. »Und jetzt wirst du mich fragen, was ich getan habe, und was danach passiert ist.« Sie seufzt. Solche Fragen scheinen ihr überallhin zu folgen, als hingen sie ihr wie Eisenkugeln um den Hals.
    »Nein, werde ich nicht. Wenn du mir davon erzählen willst, werde ich zuhören, aber das geht mich nichts an«, entgegnet George hastig. Cat starrt wieder am Kanal entlang bis zu der Stelle, wo auch das Wasser von der Nacht verschluckt wird. Die Luft ist kühl geworden, und sie zittert. »Ich begleite dich nach Hause. Nicht ganz bis zur Tür, falls du dir Sorgen machst, dass uns jemand sehen könnte. Ich wette, du kannst dich so lautlos bewegen wie ein Gespenst, wenn es nötig ist«, sagt George.
    »Black Cat haben sie mich früher genannt – in London. Weil ich so leise und unsichtbar sein kann wie eine schwarze Katze in der Nacht.« Sie lächelt. »Es sind gut drei Kilometer bis zum Dorf, also müsstest du sechs laufen, und das nach dem Kampf heute Abend. Bleib lieber hier auf deinem Boot und ruh dich aus. Bitte fühl dich heute Abend nicht verpflichtet, den Ehrenmann zu spielen.« George räuspert sich und verschränkt ebenfalls die Arme vor der Brust.
    »Ich würde diese sechs Kilometer laufen, um mich weiterhin mit dir unterhalten zu können, Cat Morley. Ist das etwa kein guter Grund?«
    Cat beäugt ihn einen Moment lang und überlegt, ob sie beharrlich bleiben soll. Doch dann gibt sie nach. »Also schön.«
    Der Mond hängt hoch und klein am Himmel wie ein Viertelpenny und wirft nur schwaches Licht auf den Treidelpfad. Hier und da neigen sich Zweige über den Weg, der von dichten Wällen aus gelben Schwertlilien und Weidenröschen gesäumt wird. George besteht darauf voranzuge hen, obwohl er groß genug ist, um sämtliche Zweige zu streifen, die dann zurückschnellen, sodass Cat ihnen ausweichen muss. Er brummt und flucht leise vor sich hin.
    »Vielleicht sollte ich vorangehen? Ich sehe ganz gut«, sagt Cat.
    George bleibt in einem Fleckchen Mondlicht stehen und dreht sich zu ihr um. »Also wirklich wie eine Katze, was?«, fragt er. In der farblosen Nacht ist er grau und schwarz, seine Augen leere Höhlen, sein Gesicht ein dunkles Loch. Einen Augenblick lang kommt er ihr nicht menschlich vor, son dern wie ein Geschöpf aus Stein und Schatten statt aus Fleisch und Blut. Doch dann streckt er die Hand aus, legt sie an ihr Kinn, und seine Haut ist warm und trocken. »In diesem Licht siehst du beinahe wie eine Zigeunerin aus«, bemerkt er leise.
    »Meine Mutter hat mir einmal erzählt, dass ihre Großmutter Spanierin gewesen ist. Sie selbst war genauso dunkel wie ich, und die Leute haben immer gesagt, ich sei ihr sehr ähnlich.« Seine Berührung fühlt sich seltsam an, verstö rend – ein Eindringen, doch sie stellt fest, dass ihr das nichts ausmacht. Sie greift nach seiner Hand und hält sie fest, und selbst im Dunkeln kann sie sehen, wie begierig, wie hingerissen er sie betrachtet.
    Als Cat sich in ihr Zimmer schleicht, ist es so still im Haus, dass sie sich kurz erwischt glaubt. Es fühlt sich an, als hielte sich alles lauernd bereit, um zuzuschnappen wie ein Tellereisen, sobald sie in die Falle tappt. Nicht einmal Mrs. Bells Schnarchen ist zu hören. Cat zieht sich aus und hängt ihre Kleidung ans offene Mansardenfenster, um sie vom verräterischen Geruch nach Bier und Zigaretten zu befreien. Dann liegt sie ganz still im Bett und wagt kaum zu atmen. Obwohl ihr Herz hämmert, ist sie bereit zu kämpfen, bereit aufzuspringen und mit den Fäusten um sich zu schlagen, wenn es sein muss. Wenn sie sie packen, festhalten, sie zwingen … Das wird sie nie wieder zulassen. Doch das sind nur Erinnerungen, zum Teil durch das Bier und die späte Stunde hervorgelockt. Allmählich beruhigt sie sich, schließt die Augen und fragt sich, ob George noch da draußen auf der Wiese steht, wo sie ihn verlassen hat. Vielleicht wartet er, das blutige, geschundene Gesicht zu den Mansardenfenstern erhoben in der Hoffnung, dass sie hinausschauen und ihm winken könnte. Dieser Gedanke tröstet sie, lässt

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