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Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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wo die Sonnenstrahlen ihn berührten, und da habe ich gesehen … ich sah …«
    »Was denn, Albert?«, fragt Hester beinahe erschrocken über die seltsame Art, wie ihr Mann spricht. Albert wendet sich ihr zu, und ein Ausdruck staunender Freude legt sich auf sein Gesicht.
    »Geister, Hester! Naturgeister! Nymphen! Die Elementarwesen selbst, die Gott schickt, damit sie die wilden Tiere und die Blumen hegen und all das Walten seiner großartigen Natur lenken! Ich habe sie spielen sehen, so deutlich, wie ich dich jetzt vor mir sehe!«, ruft Albert, und seine Stimme klingt halb erstickt vor Ergriffenheit. Cat, die gerade eine Kanne Kaffee auf den Tisch gestellt hat, hält inne und blickt mit ungläubiger Miene von Albert zu Hester und wieder zurück.
    »Danke, Cat«, sagt Hester betont streng. »Albert, das ist … ganz erstaunlich! Bist du dir sicher?«
    »Sicher? Natürlich bin ich mir sicher! Ich habe sie mit meinen eigenen Augen gesehen, so klar wie der helle Tag! Sie sind herrlich, prachtvoll wie wilde Orchideen … jede einzelne vollkommen …«
    »Aber wie sahen sie denn aus, Albert? Was haben sie gemacht?«
    »Sie hatten die Farbe wilder Rosenblüten – weiß, wenn man nicht allzu genau hinsieht, aber aus der Nähe golden und rosig angehaucht und silbrig schimmernd. Alle waren schlank wie Weidenzweige und trugen Gewänder … ich konnte den Stoff nicht deutlich erkennen, aber er war hell und zart und umwehte sie, als wiege er kaum mehr als Luft. Und wie sie getanzt haben, Hetty! So langsam und anmutig, wie sich eine Pflanze unter Wasser bewegt – vollkommen leicht und fließend. Ihre Arme hoben und senkten sich und … ach, Hester! Mir ist, als wäre ich Zeuge eines Wunders geworden! Als hätte Gott mir diesen Blick auf das, was der Menschheit gewöhnlich verborgen bleibt, als große Gunst gewährt!«
    »Albert … das ist wirklich erstaunlich. Ich meine …« Hester stammelt und verstummt schließlich. Albert strahlt sie an, offensichtlich berauscht von seinem Erlebnis. Bei diesem Gedanken runzelt sie die Stirn, mustert ihn genau und beugt sich sogar leicht zu ihm vor, um so unauffällig wie möglich tief einzuatmen. Doch sie erschnuppert keinen Hauch von Cognac oder Wein oder etwas Ähnlichem. Hester lächelt unsicher. »Wirklich … einmalig«, sagt sie matt. »Und du glaubst wahrhaftig, dass diese Geschöpfe …«
    »Nein, nein – bezeichne sie nicht als Geschöpfe, mein Herz! Sie sind nicht von der gleichen Art wie die Vögel und Kaninchen. Sie sind göttliche Wesen, heilige Wesen, die viel höher stehen als wir. Verglichen mit ihnen sind wir nichts als ungeschlachte Tonfiguren!«, erklärt er triumphierend. Hester weiß nicht mehr, was sie noch sagen soll. Albert kommt ihr so fremd und leidenschaftlich vor – sie erkennt ihn kaum wieder.
    »Aber verstehst du denn nicht, was das bedeutet?«, fragt Albert nun, wendet sich Hester zu und bemerkt offenbar plötzlich ihre Zurückhaltung. Hester bemüht sich um einen interessierten Gesichtsausdruck und macht große, neugierige Augen, um ihm zu zeigen, dass sie gern hören würde, was das bedeutet, gern glauben wird, was er ihr sagt. Doch diese aufgesetzte Erwartung scheint Albert zu enttäuschen. Er sinkt ein wenig in sich zusammen, sein Lächeln erlischt. In der längeren Pause, die nun folgt, spielt Hester mit ihrem Besteck. Sie sehnt sich danach, das Kotelett auf ihrem Teller anzuschneiden, hat aber das Gefühl, dass sie damit den beabsichtigten Eindruck gespannter Aufmerksamkeit ruinieren würde. »Ich muss auf der Stelle an Robin Durrant, den Theosophen, schreiben«, verkündet Albert und lässt sich wieder auf seinen Stuhl sinken.
    Cat kehrt in die Küche zurück und knallt das leere Frühstückstablett auf den Küchentisch.
    »Der Pfarrer sieht Feen«, verkündet sie schlicht. Mrs. Bells Kopf taucht verschwitzt und rot aus dem Backofen auf.
    »Was soll das heißen?«, fragt sie. Cat hebt ratlos die Hände.

2011
    Leah war mit ihrer besten Freundin Sam in einem Café nicht weit von deren Büro verabredet. Sie wählte einen Tisch in der hintersten Ecke aus, weit weg vom Fenster, setzte sich und wartete. Es war ein grauer Dienstagvormittag Anfang März. Leah war seit einer Woche aus Belgien zurück und immer noch aufgewühlt nach dieser Reise – nachdem sie Ryan gesehen hatte und den Leichnam des Soldaten. Einer wie der andere verstörend, fesselnd und beängstigend zugleich. Leah bestellte einen Kaffee und schlürfte ihn kochend heiß. Danach fühlte sie

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