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Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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entdeckt, und schlängelt sich beinahe unbemerkt bis nach vorne durch. Zuerst erkennt sie ihn gar nicht, den freundlichen Mann, der rot wurde, als sie merkte, dass er nicht lesen kann. Jetzt ist sein kräftiger Oberkörper nackt und glänzt von Schweiß und Blut. Auf seiner Haut spiegelt sich sanft das trübe Licht. Das Haar klebt ihm am Kopf, und aus einer Platzwunde über dem linken Auge rinnt das Blut bis hinab zum Kinn. Aber sein Gegner sieht noch schlimmer aus. Dieser andere Mann ist größer als George, aber nicht so kräftig gebaut. Seine langen Arme sind dünner, obwohl die Muskeln daran hervortreten wie Knoten in einem Tau. Beide Männer haben blutige, aufgeplatzte Fingerknöchel.
    Als sein Gegner einen Treffer landet, nimmt George die Wucht auf, stößt den Atem aus und wankt nicht. Er bewegt sich geschmeidig, der Körper biegsam wie der einer Katze, das Ducken seines Kopfes so flink und anmutig, wie man es bei einem so kräftigen Mann nie vermuten würde. Cat beobachtet ihn gebannt. Sie hat noch nie einen Menschen erlebt, der so wach und lebendig aussah. Sie atmet tief ein und spürt den salzigen Geschmack von Schweiß auf der Zunge, hört das Klatschen von Knochen auf Haut und Muskeln, als Fingerknöchel sich tief in irgendeine nachgiebige Stelle versenken, und ein kollektives Aufstöhnen der Menge, die den Schmerz nachempfindet. Cat drückt sich gegen die Taue des improvisierten Boxrings, umklammert fest das derbe Hanfseil und feuert George aus voller Kehle an. Wie anders, wie überwältigend real er erscheint, verglichen mit den fetten Polizisten in London, dem engelsgleichen Pfarrer oder ihr selbst, so zart und knochig.
    Ein weiterer Treffer, und George beginnt aus einem Nasenloch zu bluten. Schweiß spritzt durch die Luft, als sein Kopf zur Seite fliegt. Seine Schultern fallen herab, und an den Muskeln seiner Arme stehen die Adern sichtbar hervor. Hässliche violette Blutergüsse bilden sich an seinen Rippen. Doch sein Gesichtsausdruck zeugt von Ruhe und Bedächtigkeit. Cat spürt, dass er genau weiß, was er tut. Was er als Nächstes tun sollte, was er zweifellos schon oft getan hat – er scheint die Strapazen, Erschöpfung und Schmerzen gar nicht wahrzunehmen. Das Gesicht seines Gegners ist vor Kraftaufwand und Aggression zu einer starren Grimasse verzerrt. George wartet ab, setzt die Aggression seines Widersachers gegen ihn ein. Frustriert ihn, sodass der nur noch darauf bedacht ist, anzugreifen und den Kampf zu beenden. Lässt ihn ein paar mächtige Treffer landen, wodurch er den Sieg schon in Reichweite sieht und ungeduldig wird, unachtsam. George wartet wieder, weicht locker aus. Er wehrt gerade rechtzeitig einen Faustschlag ab, der sein rechtes Auge auf der Stelle hätte zuschwellen lassen, und lässt die Faust noch sein Gesicht streifen, als könnte er beim nächsten Mal nicht mehr schnell genug sein. Es funktioniert. Der andere Mann setzt nach, lässt die Deckung sinken und holt zu einem Schlag aus, mit dem er diesen Kampf zu beenden glaubt. Er lässt sich eine Sekunde lang Zeit, Schwung zu holen und den Körper zu verdrehen, um sein ganzes Gewicht in diesen Hieb zu legen. Als George zuschlägt, bewegt sein Arm sich so schnell, dass das Auge ihm kaum folgen kann. Der Aufwärtshaken trifft den größeren Mann mit solcher Wucht am Kinn, dass ihm der Kopf in den Nacken fliegt. Er geht abrupt zu Boden wie betäubt, bleibt auf die Ellbogen gestützt liegen und macht ein verdutztes Gesicht.
    George steht bereit, doch sein Gegner kippt langsam um, sinkt auf den Rücken und verliert das Bewusstsein. Wieder gibt es mächtiges Gebrüll, so ohrenbetäubend laut, dass Cat sich nicht einmal denken hören kann. Und ohne es recht zu merken, erhebt auch sie die Stimme und bejubelt Georges Sieg. Geld wechselt die Hände, Männer schütteln den Kopf, George bekommt einen Krug Bier gereicht, Leute klopfen ihm auf die Schultern. Jemand hüllt seinen Oberkörper in eine Decke, doch er streift sie sofort wieder ab, während er sich auf einem hingeschobenen Schemel niederlässt und ein zerschlissenes Musselintuch entgegennimmt, mit dem er sich das Gesicht abwischt. Cat arbeitet sich mit großen Augen unaufhaltsam zu ihm vor.
    »Und ich habe dich nach unserer ersten Begegnung für eine sanftmütige Seele gehalten«, sagt sie ohne weitere Vorrede zu ihm. George sieht sie einen Moment lang stirnrunzelnd an, dann lächelt er, und Wiedererkennen spiegelt sich auf seinem Gesicht.
    »Cat Morley, die so fein redet und

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