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Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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sie langsamer und tiefer atmen, lässt sie schlafen.
    Am Morgen wartet Hester mit knurrendem leerem Magen ungeduldig darauf, dass Albert von seinem Morgenspaziergang zurückkehrt, damit sie frühstücken können. Sie legt das Buch beiseite, in dem sie gelesen hat, und schlendert ins Esszimmer, wo der Tisch längst für zwei gedeckt ist. Leere Teller warten zwischen wunderbar gerade platziertem Besteck. In dem stillen Raum knurrt ihr Magen hörbar. Es sieht Albert gar nicht ähnlich, sich so zu verspäten. Wie lange kann ein Mensch denn Zwiesprache mit der Natur halten?, fragt sie sich, nervös vor Hunger.
    Da hört Hester Alberts Fahrrad klappern und erhebt sich wieder, ungebührlich hastig, um ihn zu empfangen. Die Haustür steht offen, und Cat poliert die Messingklappe vor dem Briefschlitz mit einem Stück weichem Leder. Der Pfarrer schießt so schnell zur Tür herein, dass er sie anrempelt und sie bei den Oberarmen packt, um nicht zu stürzen.
    »Unglaublich, ganz außerordentlich!«, platzt er heraus, als setzte er eine Unterhaltung fort, die sie schon den ganzen Morgen lang führten. Zu Hesters Überraschung stößt Cat einen protestierenden Schrei aus, schlägt um sich, befreit sich aus Alberts Griff, stolpert ein paar Schritte rückwärts, bis sie gegen die Wand stößt, und funkelt ihn mit glühenden Augen an. Albert blinzelt und starrt sie an, als hätte sie sich in eine Schlange verwandelt.
    »Cat! Also wirklich, Kind! Beruhige dich«, ruft Hester, s chockiert von der übertriebenen Reaktion des Mädchens, das Alberts Berührung offenbar nicht ertragen kann. Die normale Berührung eines Geistlichen. »Es ist doch nur Mr. Canning! Kein Grund, sich so … zu erschrecken«, mahnt sie beunruhigt. Cat entspannt sich und sieht sie mit diesem eigenartig leeren Blick an. Diese ausdruckslose Miene fällt wie eine Maske vor ihr Gesicht, bemerkt Hester. Sie verbirgt die Gedanken des Mädchens, sodass Cats wahre Natur nicht mehr darin zu lesen ist. Hester weicht unwillkürlich vor diesem unheilvollen Blick zurück.
    »Verzeihung, Madam. Der Reverend hat mich nur erschreckt, weiter nichts«, entgegnet Cat leise.
    »Wir werden jetzt frühstücken, danke, Cat«, erklärt Hester steif und schickt das Mädchen mit kleinen, scheuchenden Bewegungen ihrer Finger in Richtung Küche.
    »Frühstücken! O nein – ich könnte keinen Bissen herun terbekommen! Oh, Hester! Ich hatte gerade ein ganz erstaunliches Erlebnis! Etwas Wunderbares ist geschehen!«, ruft Albert aus, eilt weiter auf sie zu, ergreift ihre Hände und drückt sie fest. Sein Gesicht ist vor Freude gerötet, die Augen blitzen vor Aufregung. Sogar sein Haar scheint davon beeinflusst, denn es steht ihm wild vom Kopf ab.
    »Was ist denn, mein Lieber? Was ist passiert?«, fragt sie mit vor Schreck leicht schriller Stimme.
    »Ich … ich weiß kaum, wo ich anfangen … wie ich dir erklären …« Alberts Blick gleitet an ihrem Gesicht vorbei ins Leere. »Worte erscheinen mir auf einmal so … unzureichend …«, fährt er leise fort. Hester wartet einen Moment, dann drückt sie seine Finger, um ihn in die Gegenwart zurückzuholen.
    »Komm und setz dich, Bertie, mein Lieber, und erzähl mir alles.«
    Albert lässt sich von ihr ins Speisezimmer führen und zu einem Stuhl manövrieren. Cat kommt mit der ersten Platte Rührei und Koteletts und einem Brotkorb herein. Hester nimmt Albert gegenüber Platz, nimmt sich mit, wie sie hofft, nicht allzu offenkundiger Gier etwas Brot und streicht Butter darauf.
    »Ich bin ganz Ohr, mein Lieber«, sagt sie, als Albert stumm bleibt. Er blickt zu ihr auf, als sie den ersten Bissen nimmt, springt wieder von seinem Stuhl auf und tritt ans Fenster. Verwirrt kaut Hester langsam auf ihrem Brot herum.
    »Ich bin über die Wiesen gegangen, oben am Fluss, einen meiner gewohnten Wege. Da gibt es eine Stelle östlich von hier, ich weiß nicht, ob du sie kennst, wo der Fluss recht flach ist. Und schattig von den Weiden und Holunderbäumen am Nordufer. Das Schilf steht teilweise so hoch wie mein Kopf, und überall verstreut wachsen Wildblumen wie ein Teppich aus Edelsteinen … Der Boden bildet dort eine breite, flache Senke, die sich bei Regen in eine große, schlammige Pfütze verwandelt. Aber jetzt im Sommer ist sie saftig grün mit hohen Gräsern und Schachtelhalm und Butterblumen und Braunwurz … Nebel scheint sich in dieser Senke ein wenig länger zu halten. Ich habe zugesehen, wie er sich lichtete und langsam emporstieg, wie er schimmerte,

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