Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)
es schneller gehen würde.«
»Das muss ja ein feuchter, scheußlicher Ort gewesen sein, wenn du dir da so eine hartnäckige Krankheit eingefangen hast«, sagt George vorsichtig.
»War es. Aber davon bin ich nicht krank geworden. Das kam davon, wie sie mit mir umgesprungen sind. Davon, wie wir … behandelt wurden«, sagt sie und nippt an ihrer Ingwerlimonade, den Blick auf den dunklen Boden des Bechers gerichtet.
George streckt einen dicken, rauen Daumen aus, legt ihn unter ihr Kinn und hebt ihr Gesicht an, bis sie ihn ansieht. »Ich würde mit jedem, der grob mit dir umspringt, ein Wörtchen reden«, erklärt er ernst. »Mehr als nur reden, um genau zu sein. Du bist so ein zierliches Ding. Ich habe etwas gegen Leute, die gegen viel schwächere Gegner boxen.«
»Das hätte ich zu gern gesehen. Du gegen die Verbrecher da drin, die sich als Wärter bezeichnet haben.« Cat grinst. »Hätte ihnen gutgetan, es mit gleicher Münze heimgezahlt zu bekommen.«
»Soweit ich diesen Beruf verstehe, muss man dabei grausam und brutal sein. Da ist es kein Wunder, dass grausame Schläger ihn gern ausüben. Mein Vater saß auch mal im Gefängnis – und das war ganz gut so für uns Kinder und für meine Mutter. Er hat sich die Polizisten vorgenommen, die versucht haben, ihn vom Pub nach Hause zu schaffen, sturzbetrunken wie immer. Sie haben ihn in den Schwitzkasten genommen, dass er nur noch zu Boden starren konnte, und ihn vor den Augen seiner Kumpel abgeführt – er hat gekocht vor Wut! Ich war froh, dass sie ihn auf der Wache behalten haben, denn diese Erniedrigung hätten wir ausbaden müssen, wenn sie ihn wieder nach Hause geschickt hätten.« Er schüttelt den Kopf bei dieser Erinnerung.
»Was war er denn von Beruf, dein Vater?«
»Beruf? Das ist nicht das richtige Wort dafür. Er war Hilfsarbeiter, in der Landwirtschaft und sonst noch hier und da. Was immer er an Arbeit bekommen konnte. Wenn etwas getan werden musste, das allen anderen zu schwer oder zu schmutzig war, haben sie meinen Vater dafür geholt. Er hat den Welpen die Schwänze kupiert, bei jedem neuen Wurf. Er hat sie abgebissen.«
»Abge bissen ? Das ist ja abscheulich!«
»So ist es angeblich richtig – der stumpfe Druck von den Zähnen schließt die Haut um die Wunde. Aber nur ein Barbar konnte so etwas tun, also haben sie meinen Vater gerufen«, erklärt George. »Ich erinnere mich noch daran, wie jämmerlich sie geschrien haben, all die armen kleinen Hunde. Mir ist davon fast das Blut in den Adern gefroren, aber mein Vater hat nicht mal mit der Wimper gezuckt.«
»Aber ich war kein brutaler Säufer. Ich habe nur getan, was man mir befohlen hat, im Gefängnis.«
»Was die Wärter dir befohlen haben? Immer?«
»Na ja … vielleicht nicht immer«, gibt Cat zu und lässt den Kopf wieder sinken. In Wahrheit hat sie immer wieder Mittel und Wege gesucht, sich über die Regeln hinwegzusetzen, und die Rebellische gegeben. Es war ihr Verhalten, das die Wärter auf Tess aufmerksam gemacht hatte, die brav und still genug gewesen war, um übersehen zu werden. Bis dahin. Cat schluckt krampfhaft. »Können wir uns über etwas anderes unterhalten?«
»Wir können uns unterhalten, worüber du willst, Cat Morley«, sagt George leise.
Cat blickt sich wieder in der Kabine um und nippt an ihrer Limonade.
»Warum mietest du dir kein Zimmer in der Stadt?«
»Habe ich früher, aber dann hat Charlie Wheeler – ihm gehört dieser Kahn und noch drei weitere zwischen Bedwyn und Twickenham –, dann hat er gesagt, ich könnte zwischen den Fuhren an Bord schlafen, wenn ich will, ganz umsonst. Für ihn ist es sicherer, einen Mann an Bord wohnen zu haben, und ich kann so mehr Geld sparen.«
»Wofür sparst du denn?«, fragt Cat.
George überlegt eine Weile, ehe er antwortet. Dann greift er zu einem Stapel Unterlagen auf dem Regal und reicht ihr einen zerknitterten und abgegriffenen Handzettel.
»Mit dem Handel auf dem Kanal ist es bald vorbei, Cat. Manche Strecken sind so schlecht instand gehalten, dass man vor lauter wucherndem Unkraut und Ästen, die ins Wasser ragen, kaum noch durchkommt. Und die Schleusen sind so leck, dass sie fast nicht mehr funktionieren. Nur wenige Frachtunternehmen nutzen noch Lastkähne, weil die Eisenbahn inzwischen überall hinkommt, und das auch noch viel schneller. Charlie Wheeler ist ein Mann der Tradition und hält sich mit kleinen Ladungen und kurzen Strecken über Wasser, aber bald wird auch er aufgeben müssen.«
Cat betrachtet den
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