Das Haus der vergessenen Träume: Roman (German Edition)
aufrichtig vor in ihrem Glauben, und mit ihrer Gabe …«, murmelt Claire beinahe bestürzt.
»Davon bin ich überzeugt, Mrs. Higgins. Sie brauchen sich nicht dafür zu schämen, dass man Sie auf diese Weise getäuscht hat – so wie Ihnen ist es schon Tausenden ergangen! Und ich will nicht behaupten, dass die Dame keinerlei hellsichtige oder sonstige Fähigkeiten hat, aber selbst wenn dem so wäre, ist sie ungeschult und verwirrt ohne rechte Anleitung«, sagt Robin verständnisvoll.
»Nun, vielleicht sollten wir lieber nicht mehr hingehen?« Claire wirft Hester einen bekümmerten Blick zu.
»O weh, jetzt habe ich Sie wohl beunruhigt und Ihnen den Spaß verdorben?« Robin bleibt stehen, wendet sich Claire und Hester zu und presst mit einer aufrichtigen Geste die Handflächen zusammen. »Bitte verzeihen Sie mir. Ich gehe keinen Schritt weiter, ehe Sie mir nicht vergeben haben, und wenn ich deswegen das Mittagessen versäumen sollte!« So bleibt er stehen, ganz ernst und flehend, bis Claire kichert und Hester spürt, dass ein kleines Lächeln an ihren Mundwinkeln zupft. »Ha, Sie haben mir verziehen. Das sehe ich Ihnen an.« Er grinst fröhlich.
»Gehen Sie nur weiter, Mr. Durrant. Sie sollen keinesfalls das Mittagessen versäumen«, versichert Claire ihm.
»Tja, das beruhigt mich zumindest in einer Hinsicht«, bemerkt Hester.
»Ach, und das wäre?«, fragt Robin.
»Nun, bei unserer letzten … Sitzung mit Mrs. Dunthorpe erhielt sie eine ausgesprochen düstere Warnung von einer der Geisterstimmen, die sie hörte. Oder vielmehr glaubte, gehört zu haben.«
»Ach ja, richtig, Hetty!«, ruft Claire aus.
»Anscheinend ist ein Quell des Bösen in das Leben einer der Anwesenden getreten, der großes Unheil über uns bringen wird. Nach einiger Diskussion lautete der Schluss, die Warnung sei für mich bestimmt«, erklärt Hester leichthin, obwohl sie sich sehr gut an den kalten Schauer erinnert, der sie überlief, und an die dunkle Gestalt unter dem Baum, die sie beobachtete.
»Für Sie, tatsächlich? Nun, keine Sorge, werte Mrs. Canning«, entgegnet Robin. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass Mrs. Dunthorpe nur den Widerhall ihrer eigenen lebhaften Vorstellungskraft vernommen hat. Ja, darauf würde ich sogar meinen letzten Shilling verwetten.«
»Mr. Durrant!«, ruft Albert hinter ihnen. Alle drei bleiben stehen, drehen sich um und sehen den Pfarrer mit hastigen, ungelenken Schritten herbeieilen. Sein Talar flattert ihm um die Knie. »Mr. Durrant, dürfte ich Sie einen Moment aufhalten, um Ihnen jemanden vorzustellen?«, fragt er atemlos.
»Ja, selbstverständlich, Reverend. Meine Damen, würden Sie mich bitte entschuldigen?« Er neigt höflich den Kopf. Albert nickt seiner Frau und ihrer Freundin kurz zu und führt den Theosophen von dannen, wobei eine Hand beinahe dessen Rücken berührt.
»Nun, er ist wirklich reizend, findest du nicht?«, raunt Claire. »Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, dein Mann war ein wenig eifersüchtig, als er gesehen hat, wie du mit diesem jungen Mann davonspaziert bist, in eine Unterhaltung vertieft.«
»Nicht doch!« Hester lacht. »Gewiss nicht. Glaubst du wirklich?«, wagt sie dann doch zu fragen.
»Unbedingt! So ein charmanter Mann … und so gut aussehend. Außerdem habe ich gesehen, wie er dich angeschaut hat … vielleicht hat der Pfarrer sogar Grund dazu, eifersüchtig zu sein?«, fügt sie schelmisch hinzu.
»Also wirklich , Claire!«, sagt Hester mahnend, muss aber dennoch lächeln.
»Und ich sage dir noch etwas – ich bin auch eifersüchtig. Auf dich, weil du so einen aufregenden Gast im Hause hast! Zu uns nach Park Farm kommt nie irgendjemand Interes santes zu Besuch. Das ist einfach ungerecht«, sagt Claire seufzend und hakt sich bei Hester unter, als sie weitergehen. Hester schweigt, ein wenig beschämt darüber, wie ange nehm es sich anfühlt, beneidet zu werden.
5
Cat hört den Milchwagen draußen auf dem Kies knirschen und geht mit den leeren Krügen hinaus. Es ist noch keine sieben Uhr, und der Morgenhimmel ist so klar und farblos wie Glas. Barrett Anders, der Milchmann, ist dünn und schweigsam. Seine Latzhose stinkt nach Vieh, doch seine Hände sind rosig sauber geschrubbt. Sein Mund verschwindet hinter einem üppigen Schnurrbart, ebenso schmierig grau wie sein Haar.
»Das Übliche bitte, Barrett«, sagt Cat und unterdrückt ein Gähnen. Während der ersten Stunde, nachdem sie aus ihrem unruhigen Schlaf erwacht ist, fühlt sie sich immer verfroren,
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