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Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)

Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melisse J. Rose
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Tablett an. »Wenn eine Zutat in der Inschrift erwähnt wird, folgen vielleicht auch die anderen. Siehst du? Wir können das Rätsel lösen. Ich bin mir sicher.«
    Er war wieder ganz der Dreizehnjährige, der vor Glück einen Luftsprung vollführte.
    »Könnte schon sein.« Allmählich begann auch Griffin daran zu glauben.
    Draußen kam Wind auf und ergriff die Flügeltüren zum Garten. Robbie ging hin, um sie zu schließen, dann kehrte er wieder zurück und beugte sich von neuem über die Scherben.
    »Blauer Lotus … hmm, mal sehen …« Er atmete tief ein. Einmal. Zweimal. Dann begann er zu lächeln. »Vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber ich glaube, ich kann den Geruch gerade so erahnen.«
    Griffin beugte sich ebenfalls vor, schnupperte und schüttelte den Kopf. »Alles, was ich die ganze Zeit rieche, ist Ton. Ich habe wohl einfach keine gute Nase.«
    »Das hatte ich ursprünglich auch nicht. Ich musste mir alles antrainieren. Jac ist das Naturtalent von uns beiden.« Robbie sog noch einmal die Luft ein und blieb einige Sekunden lang über die Tonscherben gebeugt. Als er sich wieder aufrichtete, rieb er sich die Stirn.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Griffin.
    »Das ist neulich schon passiert. Wenn ich zu lange daran rieche, wird mir schwindlig. Fast so, als würde ich gleich umkippen. Und ich bekomme Kopfschmerzen.«
    »Du weißt wahrscheinlich, dass der Blaue Lotus halluzinogenist, oder?«, sagte Griffin. »Aber nach so langer Zeit kann er ja wohl kaum noch wirksam sein.«
    »Wohl kaum«, echote Robbie, doch er klang alles andere als überzeugt. »Ich weiß nicht viel darüber. War das eine weit verbreitete, alltägliche Pflanze?«
    »Weit verbreitet schon. Man sieht sie oft auf den Kapitellen von Säulen oder in Grabmalereien. Und sie wurde für religiöse Rituale verwendet. Aber alltäglich war sie nicht. Sie war die heiligste Pflanze Altägyptens, ein Symbol des Todes und der Wiedergeburt. Osiris soll als Blauer Lotus wiedergeboren worden sein. Tja, noch so ein schöner Zufall.«
    Robbie machte große Augen. »Wenn du darauf bestehst, sie Zufälle zu nennen.«
    »Wie würdest du sie denn nennen?«
    »Zeichen. Wundervolle Zeichen des Lebens.«
    Die meisten Menschen verlieren mit zunehmendem Alter ihre kindliche Begeisterungsfähigkeit. Robbie nicht. Griffin fragte sich, ob auch Jac sich so wenig verändert hatte.
    »Was weißt du noch über ihren Symbolgehalt?«, fragte Robbie.
    »Der Legende nach wurde die Welt so lange von Dunkelheit und Chaos beherrscht, bis eines Morgens der Blaue Lotus aus einem Flussbett emporwuchs. Als sich seine Blüte öffnete, saß in ihrer Mitte ein junger Gott. Sein heiliges Licht erhellte die Welt, und der Wohlgeruch, den er verströmte, erfüllte die Luft und vertrieb die Dunkelheit. Die Ägypter glaubten, dass die Blume jeden Morgen, wenn sie sich öffnete, das Chaos der Nacht verscheuchte.«
    »Deshalb steht sie also für den Neubeginn. Und wie wurde sie als Halluzinogen benutzt?«
    »Meistens getrunken. Es gibt ein altes Rezept, nach dem neunzehn Blüten in Wein eingeweicht werden sollten. Dieser Wein wurde dann für religiöse Rituale und alle möglichenFestivitäten benutzt. In Grabmalereien taucht ihr Bild oft in erotischen Szenen auf. Und Tutanchamuns Leiche wurde mit Lotusblumen bedeckt.«
    »Weißt du, wie sie als Droge wirkt?«
    »Sie versetzt einen in eine Art sanfte Euphorie, entspannt und berauscht zugleich. An der Uni hab ich sie mal mit ein paar Freunden probiert.«
    Robbie hob die Brauen.
    »Wir waren neugierig geworden, weil in all unseren Büchern immer wieder diese Pflanze erwähnt wurde. Sie ist in der altägyptischen Kultur so bedeutungsvoll, dass sie sogar im
Ägyptischen Totenbuch
einen Auftritt hat.« Griffin rezitierte: »Wahrlich, ein Wesen bin ich von strotzender Kraft. Meine Mutter, Nut, Göttin im Himmel, hat meinen Körper geformt. Unbeweglich bin ich, der große Knoten des im Gestern Verborgenen. In meiner Hand lieget das Heute.«
    Inzwischen waren dunkle Wolken aufgezogen und tauchten die Werkstatt in ein frühes Dämmerlicht. Robbie schaltete die Schreibtischlampe an.
    »Wie kann etwas so Uraltes mir solche Kopfschmerzen machen und gleichzeitig dem Labor durch die Lappen gehen?«
    »Keine Ahnung.«
    »Du spürst nichts, oder?«
    Griffin schüttelte den Kopf. »Keine Kopfschmerzen. Und schon gar nicht die Wirkung von damals.«
    Plötzlich wurde der Garten von einem Blitzstrahl erhellt. Die beiden Männer fuhren herum und starrten fasziniert

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