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Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)

Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus der verlorenen Düfte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melisse J. Rose
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sitzenden marineblauen Anzug mit einem makellos weißen Hemd. Sein schwarzes Haar hatte er zurückgekämmt und trug eine modische Drahtgestellbrille. Statt der rechten Augenbraue wölbte sich eine zerfurchte weißliche Narbe über seine Stirn, wie ein einzelner Sprung in einem kunstvoll glasierten Stück Porzellan.
    »Inspektor Pierre Marcher«, stellte er sich vor. »Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen.« Die Partie um sein rechtes Auge herum blieb beim Sprechen vollkommen regungslos. Sein Englisch war beinahe fehlerfrei.
    »Natürlich.«
    »Wenn Sie uns bitte einen Moment allein lassen würden, Mademoiselle Lucille?«
    »
Pas de problème
«, sagte sie und ging. Der Inspektor setzte sich an ihren Platz, holte ein Aufnahmegerät hervor und legte es vor sich auf den Tisch. »Wären Sie einverstanden, dass ich unser Gespräch aufzeichne? Das fällt mir leichter, als Notizen zu machen.«
    Griffin nickte.
    »Beginnen wir damit, warum Sie in Paris sind.«
    Griffin erklärte es ihm, und Marcher fragte, wo er wohnte.
    »Im Montalambert. Nur ein paar Straßen weiter.«
    »Ein schönes Hotel. Beschreiben Sie bitte, was Sie gestern getan haben.«
    »Ich habe den ganzen Tag hier an der Übersetzung gesessen. Gegen halb acht bin ich in mein Hotel zurückgekehrt.«
    »Dann sind Sie während des Stromausfalls losgegangen, während des Unwetters?«
    Griffin bemerkte seinen ungläubigen Tonfall. »Wie gesagt, das Hotel ist nicht weit entfernt«, sagte er. In dem Moment tauchte wieder das Bild des Autos vor ihm auf, wie es aus dem Nichts viel zu schnell um die Ecke schoss.
    »Was ist, Monsieur North?«
    Griffin erzählte es ihm.
    »Und das Auto hat Sie nicht angefahren?«
    »Es hat mich knapp verfehlt.«
    »Was für ein Auto war es?«
    »Eine dunkle Limousine.«
    »Erinnern Sie sich an irgendwelche Details? Die Marke? Das Kennzeichen?«
    Griffin schüttelte den Kopf. »Ich konnte bei dem Regen nicht viel sehen. Und das Auto war so schnell.«
    »Ist Ihnen, seit Sie in Paris sind, öfter so etwas passiert?«
    »Unfälle? Missgeschicke?«
    »Wenn Sie es so nennen wollen.«
    »Nein, gar nicht. Mein Aufenthalt hier war eher ereignislos.«
    Marcher schien einen Moment lang nachzudenken. »Als Sie hier gestern Abend aufgebrochen sind, warum ist Monsieur L’Étoile da nicht ebenfalls gegangen? Es war schließlich dunkel, oder? Der Strom war ausgefallen.«
    »Das stimmt, aber er hatte Kerzen angezündet. Und er sagte, er hätte noch einen Termin mit einem Journalisten.«
    »War dieser Journalist schon da, als Sie gegangen sind?«
    »Nein.«
    »Dann war Monsieur L’Étoile allein?«
    »Ja.«
    »Wir haben auf dem Schreibtisch ein mit Samt ausgekleidetes Tablett gefunden«, fuhr Marcher fort. »Können Sie uns darüber etwas sagen?«
    »Ja. Auf dem Tablett bewahrt Robbie die Tonscherben auf, an denen wir arbeiten.«
    »Und als Sie diese Scherben zuletzt gesehen haben, waren sie da auf dem Tablett?«
    »Ja, natürlich. Sie sind sehr alt und zerbrechlich. Ich arbeite daran, sie zusammenzufügen, um die Aufschrift entziffern zu können, aber sie bleiben immer auf dem Tablett.«
    Der Inspektor hatte während des gesamten Gesprächs nie den Blickkontakt mit Griffin unterbrochen. Er klang ruhig und interessiert, nicht anklagend. Doch Griffin ahnte, dass er auf irgendetwas hinauswollte. Nur worauf?
    »Wären Sie überrascht, wenn ich Ihnen sage, dass das Tablett leer war?«
    »Leer?« Griffin stockte der Atem.
    »Sind Sie sicher, dass Monsieur L’Étoile sie nicht abends herausgenommen und anderswo verstaut hat?«
    »Ganz sicher. Seit wir daran arbeiten, hat er sie immer auf dem Tablett aufbewahrt und abends im Wandsafe eingeschlossen. Was er gestern getan hat, weiß ich nicht. Da war ich schon weg.«
    »Als Sie gegangen sind, war Monsieur L’Étoile also allein. Fünfzehn Stunden später wurden wir hierhergerufen. Auf dem Boden lag eine Leiche, das Tablett war leer und Ihr Freund verschwunden. Würden Sie uns gestatten, Ihr Hotelzimmer zu untersuchen?«
    »Glauben Sie denn, ich hätte etwas mit der Sache zu tun? Dann wäre ich wohl kaum freiwillig zurückgekommen, oder?«
    »Wahrscheinlich nicht, nein. Es sei denn …« Marcher dachte nach. Sein linkes Auge blinzelte, das rechte nicht. »Es sei denn, das ist genau der Grund, aus dem Sie hier sind. Um den Verdacht von sich abzulenken.«

Sechzehn
     
     
    NANJING, CHINA
    DIENSTAG, 24. MAI, 20.00 UHR
     
    Mit mürrischem Gesicht nahm der Beamte eine Jeans aus Xies Koffer, faltete sie

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