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Das Haus der verlorenen Herzen

Das Haus der verlorenen Herzen

Titel: Das Haus der verlorenen Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einmal die Lieder ab und übte mit dem gemischten Kirchenchor immer wieder den Hymnus, der zu Ehren dieses Tages und des hohen Besuches erklingen sollte. Denn viel wichtiger für Camporeale als die Einweihung des neuen, riesigen Kinderheimes, das sich wie eine leuchtendweiße, hypermoderne Burg auf dem Hügel, drei Kilometer vom Dorf entfernt, erhob und ebenfalls von einem Wald wehender Fahnen umgeben war, war der Besuch des Kardinals von Sizilien in der kleinen Kirche und die Messe, die er dort lesen wollte. So etwas kommt in einem Jahrhundert nur einmal vor und vielleicht nie wieder, denn wer Camporeale kennt, kann verstehen, daß Kardinäle solche Plätze nicht mit Begeisterung besuchen, auch wenn die Gläubigen hier gläubiger sind als anderswo.
    Außer dem Kardinal, der die Grußbotschaft des Papstes mitbrachte, hatten sich aus Rom ein Staatssekretär und sieben Parlamentsabgeordnete angesagt. Was auf Sizilien einen Namen hatte, kam selbstverständlich, Dr. Sorianos neues Wunderwerk zu bestaunen. Der Vorsitzende des Komitees ›Stiftung Camporeale‹ memorierte seit drei Tagen seine große Rede, denn er hatte das Vergnügen, Dr. Soriano einen Scheck zu überreichen mit dem Betrag, den die Sammlungen und Spenden für dieses wahrhaft einmalige Kinderheim erbracht hatten: 220.000.000 Lire. Eine Summe, auf die man stolz sein konnte, und doch geringfügig, dachte man daran, was die geheime Klinik gekostet hatte, die hinter wieder zugemauerten Türen auf Dr. Volkmar und sein Team wartete.
    Um 10 Uhr vormittags fuhr der Kardinal in einem offenen Wagen durch Camporeale, nach allen Seiten segnend und damit Freude spendend. Aus Palermo war eine Hundertschaft Polizei aufs Land gekommen und hatte alle Zufahrtswege abgesperrt. Nur Personen mit Einladungskarten durften passieren, aber auch sie wurden gründlich untersucht. Staatsanwalt Dr. Brocca hatte bekanntgegeben, daß eine Bombendrohung vorliege. Das war zwar gelogen, aber man verschaffte sich dadurch das Recht, das Kinderheim vor unliebsamem Besuch abzuriegeln.
    Bis nachmittags um vier dauerten die Einweihungsfeierlichkeiten. Der Kardinal durchschritt mit Weihrauchkessel und Weihwasserbüschel alle Räume und segnete sie aus, weihte das Marienbild in der hauseigenen Kapelle und aß an der festlich gedeckten Tafel im großen Speisesaal des Heimes eine doppelte Portion Fasan mit Maronenmus.
    »Dieses Werk wird Ihnen den Himmel öffnen, Dr. Soriano«, sagte der Kardinal zum Abschied und schlug das Kreuz über Sorianos geneigtem Haupt.
    »Ich möchte es hoffen, Eminenz«, antwortete Soriano demütig.
    »Haben Sie nicht eine Tochter?«
    »Sehr wohl, Eminenz.«
    »Sie ist heute, an diesem Freudentag, nicht dabei?«
    »Loretta ist seit kurzem verlobt, Eminenz.« Soriano blickte wieder auf. Eine Lüge ins Gesicht eines Kardinals muß wenigstens von einem gläubigen Blick begleitet sein, zumal, wenn man, wie Soriano, ein guter Christ ist. Das war seine menschliche Seite; die geschäftliche hatte damit nichts zu tun. »Sie ist zur Zeit in Rom.«
    »Dann gibt es bald eine Hochzeit?«
    »Ich hoffe … wenn Gott es will.«
    »Er will!« Der Kardinal lächelte milde. »Es wäre mir eine Freude, Ihre Tochter zu trauen.«
    Dr. Soriano nickte, bückte sich über die Hand des Kardinals und küßte den Ring. Er war echt ergriffen, obwohl er wußte, daß der Wunsch des Kardinals nie in Erfüllung gehen würde.
    Am Festbankett, das Soriano am Abend im großen Speisesaal gab, nahm der Kardinal nicht mehr teil. Nach der Sondermesse in der kleinen Kirche von Camporeale fuhr er wieder weg, beeindruckt von dem sozialen Gewissen Dr. Sorianos. Im Saal, der mit Blumen und Girlanden geschmückt war, sang ein Kinderchor, hielten noch viele offizielle Vertreter von Staat, Stadt und Wissenschaft Lobesreden und wurde schließlich bis tief in die Nacht hinein getanzt. Das päpstliche Grußwort, von einem schweren Goldrahmen umrandet, den Soriano gestiftet hatte, prangte in der weiten Eingangshalle, allen sichtbar, die das Kinderheim betreten würden.
    Noch während die Gäste tanzten und das riesige kalte Büfett plünderten, wurden unten im Keller II die vermauerten Türen zur Herzklinik wieder aufgebrochen. Es war eine leichte Arbeit; die Eingänge hatte man lediglich mit Preßspanplatten verkleidet und diese angestrichen. Man nahm die Platten heraus und eröffnete auf diese Weise heimlich die Mafia-Klinik. Dr. Soriano kam für eine halbe Stunde in den Keller und brachte eine Flasche Champagner mit.

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