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Das Haus der verlorenen Kinder

Titel: Das Haus der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena Mackesy
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einen Minute rufst du ihn Rat suchend an, in der nächsten beißt du ihm den Kopf ab.
    »Entschuldigung«, sagt sie. »Entschuldige. Ich weiß, dass ich eine Heuchlerin bin.«
    Ein Kichern. »Wenn du das sagst.«
    Schweigen.
    »Hat mir die Mühe erspart«, fügt er hinzu. Sie ist nicht sicher, wie viel davon Vorwurf und wie viel Spaß ist, aber sein freundlicher kornischer Akzent mildert es ab, macht es erträglich.
    »Schau«, sagt er, »das kriegt ihr schon wieder auf die Reihe, ihr zwei. Und dann geht ihr zum nächsten Streit über. Dafür sind Kinder da, und irgendwann wird es eine Zeit geben, da schauen wir wehmütig auf diese Ausbrüche mit ›ich hasse dich‹ zurück. Sobald sie die Verlockungen von Newquay entdeckt haben und ihr ganzes Taschengeld für Koks ausgeben und mit alkoholisierten Freunden im Auto mitfahren.«
    »Sie wird noch eine Weile nicht genug Taschengeld kriegen, um sich Crack kaufen zu können.«
    »Heutzutage ist Crack ziemlich billig.«
    »Na, ich ebenfalls«, antwortet Bridget. »Ich kann so billig sein, wie es nur geht.«
    »Genau die richtige Einstellung«, sagt Mark. »Ich sehe dich dann unten bei der Schule.«
    »Ja. Ach, und Mark?
    »Hmmm?«
    »Danke. Du weißt schon. Für – alles.«
    »Gern geschehen«, sagt er. »Du kannst mir ja irgendwann einen Drink spendieren.«
    Handelt es sich da wieder um ein Rendezvous? Schwer zu sagen. Sie beschließt, es zu ignorieren. »Wir sehen uns später«, sagt sie.
    Sie geht in ihr Zimmer zurück, um sich anzuziehen, bevor sie Yasmin weckt. Will nicht so aussehen, als käme sie gerade vom Drehort von Misery. Zieht sich Jeans und einen Pulli an und bürstet sich wie wild die Haare. Ihre Hände sind ganz rot von all den Putzmitteln, die sie gestern verwendet hat. Ich muss mir unbedingt Gummihandschuhe kaufen. Schließlich bin ich jetzt Haushälterin. Die sind für diesen Beruf ein absolut notwendiges Handwerkszeug.
    Falls ich den Job überhaupt behalte.
    Ich lasse jetzt aber den Kopf nicht hängen. Bestimmt nicht. Das kriege ich schon irgendwie geregelt. Ich werde ihnen die Kosten für die chemische Reinigung ihrer Sachen aus meinem eigenen Portemonnaie erstatten. Vielleicht war das ja nur eine Drohung. Vielleicht hat er es nicht ernst gemeint, das mit Mr Gordhavo.
    Während sie so nachdenkt, geistesabwesend auf ihre roten Augen im Spiegel starrt, bemerkt sie ein Geräusch. Ein Klopfen. Das aus dem Wohnzimmer kommt. Oh, mein Gott. Was jetzt?
    Sie geht hinüber. Das Klopfen kommt jetzt von der Tür zum Haupthaus. Bridget steht einen Augenblick da und starrt auf die Türklinke.
    Es ist Lily.
    Sei nicht albern, Bridget, verdammt.
    Irgendetwas ist in diesem Haus. Du weißt es. Es ist da, auch wenn du so tun möchtest, als gäbe es das nicht. Schau nach. Schau, was hinter der Tür ist.
    Sie löst sich aus ihrer Starre und zieht den Riegel zurück.
    Es sind die Bensons. Und sie haben ihre Mäntel und Straßenschuhe an; die Koffer stehen neben ihnen, ordentlich, von den gestrigen Rückständen gründlich befreit. Sie trägt wieder ihre Brille, hat die kleinen Gehörschutzstöpsel in den Ohren, den dezenten Verlobungsring am Finger.
    »Hallo«, sagt sie verlegen. Was antwortet man jetzt bloß? Wie geht es Ihnen heute? Kann ich Ihnen helfen? Was möchten Sie? Bitte, bitte, sorgen Sie nicht dafür, dass mir gekündigt wird?
    Allem Anschein nach sind beide Parteien verlegen. Die Bensons sagen eine Sekunde nichts, aber die Frau errötet ein wenig. Sie sieht erschöpft aus, denkt Bridget: So, wie ich mich fühle. Ich dachte, sie sei bei ihrer Ankunft blass gewesen, aber jetzt, mit den geröteten Wangen, sieht sie aus, als hätte jemand bei ihr den Kontrast heruntergedreht. Die Brille umrahmt Tränensäcke, die so auffällig sind, dass sie aussehen, als seien sie irgendwie aufgepumpt worden. Er sieht kaum besser aus. Er wirkt – vertrocknet.
    »Hallo«, antwortet Mrs Benson schließlich. »Tut uns leid, Sie zu belästigen …«
    »Ist schon in Ordnung«, sagt Bridget. »Ich war gerade im Begriff, Yasmin für die Schule zu wecken«, fügt sie hinzu, um darauf hinzuweisen, dass sie nicht viel Zeit hat.
    »Wir sind nur gekommen … um zu sagen …«
    »Na ja, die Sache ist die …«
    »Wir haben überlegt … und wir haben beschlossen …«
    »Letzte Nacht …«
    »Die Sache ist die«, sagt er, »dass wir beschlossen haben, uns eine andere Unterkunft zu suchen.«
    »Ach?«, Bridget ist bestürzt. »Es tut mir leid. Ich verspreche Ihnen, dass ich Ihr Zimmer bis

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