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Das Haus der verlorenen Kinder

Titel: Das Haus der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena Mackesy
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sie bitten, zu bleiben?
    Am Ende tut sie nichts dergleichen. Yasmin muss aufstehen, sie muss sich an die Arbeit machen. Später wird sie Tom Gordhavo anrufen und es ihm mitteilen, aber jetzt hat die Schule Vorrang und dass die Waschmaschine eingeschaltet wird und sie noch eine Tasse Tee trinkt, um die Auswirkungen ihrer schlaflosen Nacht zu vertreiben.
    Während sie durch ihr Wohnzimmer geht, hört sie, dass jemand die Treppe heraufgerannt kommt, und Mrs Benson ruft: »Ms Sweeny? Hallo? Sind Sie da?«
    Sie macht kehrt und sieht sie an der Wohnungstür stehen. Sie ist ganz außer Atem, aufgeregt. »Ich wollte – sehen Sie, ich wollte Ihnen das auf den Esstisch legen, aber dann ist mir klar geworden, dass ich kurz mit Ihnen reden möchte.«
    Sie hat ein Bündel Geldscheine in der Hand. Zehner: ein dünnes Bündel, genug für die Lebensmitteleinkäufe für eine ganze Woche. »Bitte«, sagt sie, »nehmen Sie das. Kaufen Sie Yasmin etwas. Sagen Sie ihr, dass es mir sehr, sehr leid tut. Sagen Sie ihr, wir wissen jetzt, dass sie es nicht war.«
    Bridget schaut mit gemischten Gefühlen auf das Geld hinab. Das ist Geld. Du brauchst Geld. Widerwillig zieht sie die Hand zurück. »Nein«, antwortet sie, »das kann ich nicht. Nicht, wo Sie hier doch einen so schlimmen Aufenthalt hatten.«
    Die Frau packt sie am Handgelenk und hält es fest. »Ms Sweeny«, sagt sie, »ich muss Ihnen das sagen. Ich glaube nicht, dass das hier ein gutes Haus ist. Tut mir leid. Ich muss es Ihnen sagen. Ich gehöre eigentlich nicht zu diesem Menschenschlag. Wirklich nicht. Ich glaube nicht an so etwas. Habe ich noch nie. Aber mit diesem Haus stimmt etwas nicht. Da ist etwas, und es ist nichts Gutes. Ich glaube nicht, dass Sie hier sicher sind. Ich glaube nicht, dass es ein gutes Ende nehmen kann, wenn Sie hierbleiben.«
    Mit der Morgendämmerung setzt Schneefall ein, dicht und lautlos, er dämpft den Wind, der sonst immer um die Dachvorsprünge heult, und weckt sie auf, weil es auf einmal so still ist. Sie ist seltsam erleichtert, ihn zu hören, ihn in der Dunkelheit an dem Mansardenfenster vorbeiwirbeln zu sehen. Es fühlt sich an, als habe sich irgendeine Spannung gelöst, weil der Winter jetzt endlich richtig da ist, nicht mehr nur auf der Lauer liegt. Sie kniet sich auf das Bett, in dem früher Vera geschlafen hat – sie ist, obwohl sie ja reichlich Auswahl hatte, in dem Bett geblieben, das ihr ursprünglich zugewiesen wurde, weil es das am weitesten von der Tür entfernte ist und am wenigsten Zugluft abbekommt –, wegen der Kälte in eine Unmenge von Decken gehüllt, und stützt die Ellenbogen auf die Fensterbank, um hinauszuschauen. Sie hat noch nie richtigen Schnee gesehen. Jedenfalls keine so dicke weiße Schicht, die inzwischen alles, was sie jetzt sieht, bedeckt. Im Süden des Landes schneit es nur selten, und der Schnee, der in Portsmouth gefallen ist, war nass und feucht und wurde, wenn er überhaupt mal liegen blieb, im Nu grau und matschig.
    Das hier ist jedoch etwas anderes – etwas richtig Schönes. Sie wünscht sich, sie hätte ihre Farben, ihre Stifte, obwohl sie bezweifelt, dass sie genügend Talent hätte, um dieses seltsam driftende Wesen einzufangen, das auf die Erde zuwirbelt, vom Seitenwind getrieben, spiralförmig hinabrieselt, liegen bleibt, sich aufhäuft, den grauen Garten bedeckt und das Dämmerlicht zum Leuchten bringt. Lily kratzt das Fenster frei, auf dem die Feuchtigkeit ihres Atems beim Auftreffen sogleich gefriert; schnell zieht sie die Hand zurück und schiebt sie wieder unter die Decken. Sie kann es sich nicht leisten, auszukühlen; aus Erfahrung weiß sie, dass Wärme, wenn sie einmal verloren ist, nur entsetzlich langsam wiedergewonnen werden kann.
    Das Bootshaus sieht wie das Hexenhäuschen von Hänsel und Gretel aus: Es glitzert und ist wie ein Weihnachtskuchen glasiert. Es sieht warm aus da draußen, denkt sie: wie Schwanenfedern. Könnte ich doch nur irgendwie hier raus, da hinunterlaufen, mich darin zusammenrollen. Könnte ich nur …
    Sie hört den Schlüssel in der Tür am Fuß der Treppe. O Gott, sie kommt. Schnell rennt sie durchs Zimmer und schlüpft unter ihre Bettdecke. Das macht sie, um zu verbergen, was sie anhat, obwohl die Blakemore inzwischen so durchgeknallt ist, ehrlich, dass sie es wahrscheinlich nicht einmal bemerken würde, wenn Lily Perlen und eine Tiara trüge. Seit es richtig Winter geworden ist, hat sich in den Mansardenzimmern eine solche Kälte ausgebreitet, dass man das Gefühl

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