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Das Haus der verlorenen Kinder

Titel: Das Haus der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena Mackesy
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ein knurrendes Dröhnen.
    »Ja!«, sagt Bridget laut und boxt in die Luft. Kleine Triumphe. Die Wohnung wird bald warm werden: Sie hat gestern Abend in ihrer Verzweiflung auf eine dieser allerletzten aussichtslosen Taten gesetzt und war in der ganzen Wohnung herumgelaufen, um die Heizkörper in der Hoffnung aufzudrehen, dass sie allein durch ihre Willenskraft warm werden mögen. Hoffentlich schläft Yasmin in ihrem Kokon aus Vorhängen noch eine Weile und lässt ihr Zeit, ihr neues Reich zu erkunden.
    Das Haus scheint seit ihrem Besuch vor zwei Wochen unverändert. Ihr fällt im Speisezimmer auf, dass eine Reihe von Porzellanfiguren auf der Anrichte nach hinten gedreht wurde, sodass sie sie jetzt durch den Spiegel dahinter anstarren. Der Anblick dieser gefrorenen Gesichter und der harten und nachtragenden winzigen Schultern weckt ungute Gefühle. Ihre Blicke scheinen ihr wie jene in einem guten Porträt zu folgen, während sie den Raum durchquert.
    Ein Haufen Bettlaken liegt am Fuß der Treppe im Speisezimmer, von ihrer Vorgängerin in Vorbereitung zum Waschen dort hingeworfen. Reine Baumwolle, jetzt mit einer Staubschicht bedeckt, wie sie überall auf den Oberflächen liegt, stellt sie fest – und bei dem Gedanken an all die Bügelarbeit wird ihr das Herz ganz schwer. Es sieht aus, als sei es bereits eine Ewigkeit her, seit Frances Tyler gegangen ist. Sie dreht den Haufen mit dem Fuß um, kickt ihn weiter in die Ecke und setzt ihren Rundgang durch das Haus fort.
    Im Salon stehen ein Dutzend Becher und Weingläser auf dem riesigen Couchtisch aus Teakholz, und ihr Inhalt ist nach der langen Zeit fleckig eingetrocknet. Zwei überquellende Aschenbecher befinden sich daneben auf dem Holztisch. Ein halb verbranntes Holzscheit ruht in einem Bett aus Asche. Polster liegen verstreut und zusammengedrückt herum, als wären die Bewohner des Hauses nach einer wilden Nacht lediglich zu Bett gegangen, statt ihre Koffer zu packen und nach London zurückzufahren. In den Bechern ist wohl Milch gewesen. Selbst in einem Raum von der Größe ihrer bisherigen Wohnung kann sie den säuerlichen Geruch wahrnehmen. Auf dem Beistelltisch entdeckt sie ein Tablett – klebrig und mit ringförmigen Flecken auf dem Holz von den Unterseiten der Flaschen – und räumt alles darauf. Es hat keinen Zweck, etwas so Ekliges herumstehen zu lassen, wo es doch gleich um die Ecke eine Spülmaschine gibt. Sie kann die Sachen wenigstens wegstellen, damit sie sie nicht mehr sehen muss.
    In der Spülküche kramt sie in dem Schrank unter der Spüle herum und findet eine Rolle schwarzer Mülltüten, eine Viertel Packung Persil und eine Flasche Sprühstärke. Immerhin etwas, um sich bis Mittwoch zu beschäftigen. Wahrscheinlich gibt es hier irgendwo einen großen Vorrat an Putzmitteln, aber den hat sie noch nicht entdeckt. Jedenfalls kann sie die Spülmaschine schon mal laufen lassen und den Mülleimer herrichten. Sie reißt eine Tüte ab und nimmt sie mit in die Küche.
    Der Mülleimer macht sich bald selbstständig. Noch ein paar Tage, dann wäre das durchaus wörtlich zu nehmen. Als sie den Deckel des verchromten Eimers anhebt, schlägt ihr ein solcher Gestank entgegen, dass sie ein paar Schritte zurückweicht und Gott vergeblich um Hilfe anfleht.
    »Jesus!«, ruft sie aus. Schnappt nach Luft, würgt.
    Der Gestank ist trotz der Kälte widerlich. Der Mülleimer ist nur halb voll. Bevor sie den Deckel wieder zuknallt, erspäht sie Hühnchenreste, grün, in einem pelzigen bläulichorange-gestreiften Bett.
    Bridget hastet durch den Raum, dreht die Wasserhähne voll auf, klammert sich an das kalte Porzellan der Butler-Spüle, während sich ihr der Magen umdreht. Sie würgt, ein Mal, zwei Mal, spürt, dass es ihr kalt über die Oberarme läuft. Ihre Zunge scheint auf einmal das Doppelte der normalen Größe zu haben und ihre Atemwege zu blockieren. Sie hustet, aus dem Zwerchfell heraus. Inzwischen hat das Frösteln einem dünnen Schweißfilm Platz gemacht.
    Sie beugt sich vor, trinkt einen kräftigen Schluck kaltes Wasser aus dem Hahn. Köstliches Quellwasser, weich und torfig.
    »Mensch, das war knapp«, sagt sie laut. Dreht sich um und betrachtet den Mülleimer in der Ecke, als wäre er ein Troll. Irgendwann wird sie es tun müssen. Aber erst, wenn sie wirklich darauf vorbereitet ist. Wie kann jemand ein Haus bloß in diesem Zustand verlassen? Diese Frances muss ja eine richtige Schlampe gewesen sein. Niemals würde ich ein Haus jemandem in diesem Zustand

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