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Das Haus der verlorenen Kinder

Titel: Das Haus der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena Mackesy
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bedeutet, dass wir beide fit sein müssen. Komm schon. Ich bring dich zurück.«
    Und plötzlich hat ihre Tochter Tränen in den Augen. »Mummy, bitte! Bitte? Kann ich kommen und bei dir schlafen? Nur heute Nacht?«
    »Schatz«, antwortet Bridget, »wenn wir es heute Nacht machen, dann geht es morgen Abend und übermorgen so weiter. Komm schon. Du bist doch ein großes Mädchen. Weißt du, wie viele Leute sich inständig wünschen, ein Zimmer ganz für sich allein zu haben?«
    »Aber das ist es nicht! Das ist es nicht!«
    »Nicht was?«
    »Nicht nur für …« Sie hält inne und sieht ein bisschen verwirrt aus, was sie da gerade sagen wollte, schlägt eine andere Richtung ein. »Ich kann heute Nacht einfach nicht schlafen! Bitte, Mummy! Ich war nicht mehr – ich war nicht mehr bei dir, seit wir hierher gekommen sind, oder?«
    Bridget muss einräumen, dass das stimmt. Gewissermaßen. Yasmin hat zumindest immer gewartet, bis sie selbst fest eingeschlafen war, bevor sie zu ihr unter die Decke geschlüpft ist. »Und was ist heute Nacht so anders?«
    »Ich weiß nicht«, antwortet Yasmin zögerlich. »Ich kann einfach nicht … Ich habe das Gefühl, da ist …«
    »Es ist nur der Wind. Nichts weiter. Heute Nacht ist es da draußen nur ein bisschen stürmisch.«
    Sie kommen an der Zimmertür an. Yasmin, die Bridgets Hand noch immer umklammert, weicht energisch zurück, versucht, ihre Mutter wieder in den Korridor zu ziehen. »Bitte, Mummy!«
    Ich muss hart bleiben. Wir können nicht so weitermachen und in einem Bett schlafen, bis sie ein Teenager ist. Sie beugt sich hinab, nimmt ihre Tochter hoch und drückt sie sich an die Seite. Yasmin schlingt automatisch die Beine um ihre Hüfte, sitzt auf der Rundung, die mit den Jahren und durch die falsche Ernährung noch üppiger geworden ist. »Bitte«,
    fleht sie wieder.
    »Ich stecke dich ins Bett«, sagt Bridget.
    Sie knipst das Licht an und stellt fest, dass beide Betten im Zimmer zerwühlt sind. Das Gästebett, dasjenige auf der rechten Seite, sieht aus, als sei es von einem Oberfeldwebel, der im Kadettenschlafsaal eine Kontrolle durchgeführt hat, komplett auseinandergenommen worden. Kissen, Quilt und Leintuch liegen zusammengeknüllt an der Wand. Bridget seufzt.
    »Du musst mit dem Einschlafen ja echte Schwierigkeiten gehabt haben. Und, hast du dich jetzt entschieden, welches dein Bett sein soll?«
    Yasmin schaut verdutzt drein. »Na ja – das da.«
    Sie deutet auf jenes, für das sie sich ursprünglich entschieden hat, dasjenige unter der Dachschräge. Es ist, so, wie sie es gemeinsam hergerichtet hatten, mit ihren Kuscheltieren, Puppen und Büchern vollgeladen. Nur ein kleiner Platz in der Mitte ist frei. Es sieht jedenfalls nach einem Bett aus, in dem eine Sechsjährige gerne schläft. »Selbstverständlich«, fügt sie hinzu.
    »Dann hast du das andere nur ausprobiert, ob es groß genug ist, Schatz?«
    Bridget reibt die Nase an der Wange ihrer Tochter, atmet den Duft von Seife und Kindershampoo ein. Wie ich dich liebe, denkt sie. Wie sehr ich dich liebe. Wie viel Arbeit du auch machst.
    »Ich hab nicht …«, sagt Yasmin.
    »Na ja, irgendjemand muss es ja gemacht haben«, stellt Bridget lachend fest. »Wer war das? Der unsichtbare Mann?«
    Ihre Tochter erstarrt. »Welcher unsichtbare Mann?«
    Sie ist gut darin, Dinge wörtlich zu nehmen, wenn sie meint, sich damit einen Vorteil verschaffen zu können.
    »Ein Spaß«, sagt Bridget. »Nur ein Spaß, Yasmin. Es gibt keinen unsichtbaren Mann. Keinen einzigen. Das war nur Spaß.«
    »Na ja, ich war es nicht!«, beharrt sie. »Irgendjemand muss es gewesen sein, weil ich es nicht war!«
    Klar, klar, klar. Und dieser Spiegel ist heute Vormittag ganz von allein von der Wand gefallen.
    »Hör auf, Yasmin! Sofort!«, fährt sie sie an. »Du zögerst das mit deinen Spielchen jetzt nicht weiter hinaus. Ins Bett mit dir, sonst …«, sie sucht nach einer Strafe, »… sonst machst du morgen dieses Bett da ganz allein!«
    »Nein, Mummy!« Yasmin klammert sich fester an ihren Hals, gräbt die Knie in ihren Bauch und ihren Rücken wie ein Cowboy, der sich auf einem bockenden Pferd halten will. »Neinneinnein, bitte, Mummy! Ich verspreche dir auch, dass ich gleich einschlafe.«
    »Das kann ich mir denken«, antwortet Bridget und löst die sie umklammernden Arme. Der Baldriantee wirkt allmählich, und sie fühlt sich zu müde, um weiter herumzudiskutieren, zu müde, etwas anderes zu tun, als in ihr Zimmer zurückzustolpern und unter die

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