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Das Haus der verlorenen Kinder

Titel: Das Haus der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena Mackesy
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Einzug rechnet.
    »Nein. Ist da einer?«
    »Natürlich gibt es hier Geister. Dutzende. Man kann wohl kaum erwarten, dass es in einem Haus, das vierhundert Jahre alt ist, nicht ein paar Gespenster gibt, oder?«
    »Vermutlich nicht.«
    Ich werde mit Dutzenden fertig. Das ist wie mit den Spinnen.
    »Ich dachte, Sie sagten ›Geist‹, nicht ›Geister‹.«
    Jetzt ist Ms Aykroyd an der Reihe zu kichern. »Ach, hören Sie nicht auf mich, meine Liebe«, sagt sie. »Ich hab’s nicht so mit Zahlen. Es erstaunt mich, dass ich nicht gleich Millionen gesagt habe.«
    »Nein«, antwortet Bridget. »Das Einzige, was in der Nacht bisher gepoltert hat, seit wir hier sind, war Yasmin, als sie aus dem Bett gefallen ist.«
    Ms Aykroyd – nennen Sie mich Stella, wie sie gleich sagte – lacht wieder auf. »Na ja, das ist gut. Es bringt nichts, wenn man hier in der Gegend allzu empfindlich ist, würde ich meinen.«
    Bridget hört das Klimpern von goldenen Armreifen, als Stella die Hand gegen den Türrahmen stützt.
    »Ich kenne mich mit Geistern überhaupt nicht aus«, erklärt sie und merkt, dass sich ihre Stimme wie die eines alten Faktotums anhört.
    »Liebes«, sagt Ms Aykroyd – sie gehört zu jenen Menschen, die zu allen »Liebes« sagen, weil sie sich damit die Mühe ersparen, sich die Namen merken zu müssen –, »das ist die richtige Einstellung. Hat er Ihnen nichts von ihnen erzählt? Tom Gordhavo?«
    Bridget schüttelt den Kopf. »Das kann ich nicht behaupten.«
    »Nein, ich denke, das macht er lieber nicht. Ich denke, es war für ihn schwer genug, jemanden zu finden, der herkommt und hier arbeitet, auch ohne den Leuten Flausen in den Kopf zu setzen.«
    »Ich denke, das war es«, antwortet Bridget. »Und deshalb hat er mich genommen. Trotzdem: Es braucht mehr als ein paar Geister, um mich zu verscheuchen.«
    Wieder lacht Ms Aykroyd. »Ach, ich weiß«, sagt sie. »Ich war in den letzten fünfzehn Jahren jedes Jahr hier. Ich hoffe jedenfalls, dass Sie bleiben. Es wäre nett, wenn nicht jedes Mal, wenn wir herunterkommen, eine Neue da wäre. Dann hat man eher das Gefühl, nach Hause zu kommen. Was mich anbelangt, so tragen Geister sowieso nur zur Atmosphäre bei.«
    Bridget schaut auf. Sie ist sich nicht sicher, ob diese letzte Feststellung ernst gemeint oder ein Scherz war. Diese Künstlertypen berichten sogar vom Tod ihrer Großmutter, als handele es sich um eine Theateranekdote. Es ist schwer zu sagen, in welche Richtung die Gruppe der Aykroyds tendiert. Sie gehören jedenfalls zu den Kreativen – das ist leicht zu erkennen an den Kaftans und den Tüchern, die sie sich um den Kopf gewickelt haben, sowie an dem Klunkerzeug, das ihnen um die Gliedmaßen baumelt, und an der kompliziert in Form geschnittenen Gesichtsbehaarung, die am Kinn der Männer (und an dem der einen oder anderen Frau) sprießt. Und an der Tatsache, dass schwierig auszumachen ist, welche der zwölf Kinder zu welchen der sechs Erwachsenen gehören. Mindestens zwei von ihnen, das hat Bridget herausbekommen, scheinen auf die eine oder andere Weise mit mindestens drei der Erwachsenen verwandt zu sein, und ein Paar nur mit einem. Aber ob sie zu jener Sorte von Künstlern gehören, die wirklich an Horoskope und Geister und spiritistische Sitzungen glauben oder das alles nur als Unterhaltung betrachten, der man sich Cocktails schlürfend hingibt, kann sie nicht mit Sicherheit sagen.
    »Die Kinder sind jedoch ein bisschen anstrengend. Es ist in mancher Hinsicht gut, dass es viele sind, sonst würden wir sie in dieser Mansarde nie zum Schlafen kriegen.«
    »Der Mansarde?«
    »Albernes Zeug. Es ist natürlich nichts, aber sie sind davon überzeugt, dass es da oben spukt. Camilla und Rain haben damit angefangen, fürchte ich. Ich könnte Camilla an die Gurgel gehen, weil sie ihnen mit ihren Spukgeschichten diese Flausen in den Kopf gesetzt hat und dann zur Universität abgereist ist. Jetzt geht Rain kaum mehr allein da hinauf.«
    »Ach du meine Güte«, sagt Bridget.
    »Ist schon in Ordnung. In gewisser Weise gefällt es ihnen ja, denke ich. Bietet ihnen einen Vorwand, sich da hineinzusteigern.«
    »Und was sagen sie, was sie sehen?«
    »Ach, niemand hat tatsächlich etwas gesehen. Na ja, mit Ausnahme von Camilla, und die hat schon immer zu viel Fantasie gehabt. Sie hat behauptet, dass sie da oben mal ein Mädchen gesehen hat. Kam kreischend die Treppe herunter. Natürlich mitten in einer Dinnerparty. Ist ja immer so. Sie wissen ja, wie Kinder sind. Nutzen jeden

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