Das Haus des Buecherdiebs
man sich ins Haus holt, und sich keine allzu großen Hoffnungen auf eine freundliche Widmung in einem vorzüglichen Büchlein machen, dessen Qualität alle kostspieligen Zuwendungen aufwiegt.
Frederick Rolfe, einem heute weitgehend vergessenen englischen Autor und Exzentriker des ausgehenden 19. Jahrhunderts, gelang es, fast sein ganzes Leben lang auf Kosten anderer zu leben. Eigentlich wollte er Priester werden, doch ein Mangel an »innerer Berufung« und eine unselige Beziehung zu alkoholischen Getränken und fleischlichen Gelüsten beendeten diese Karriere vorzeitig. Was er wirklich angestellt hatte, um den gnadenlosen Ausschluss aus einem römischen Priesterseminar zu provozieren, ist nicht überliefert, doch ging das Gerücht um, er habe in der Gemeinschaftsdusche der Seminaristen unzüchtige Lieder gesungen. Rolfe wollte nicht einsehen, dass er etwas Unrechtes getan hatte, musste das Urteil jedoch akzeptieren und seinem Leben einen neuen Sinn geben. Er besaß nicht viel mehr als eine Prise Charme, eine doppelte Portion Gerissenheit und ein nicht geringes Maß an Intelligenz. Unter Einsatz all dieser Talente schlug er sich in Rom einigermaßen durch, und schließlich gelang es ihm |66| sogar, das Herz der Gräfin Sforza-Cesarini zu erobern, die ihn zumindest eine Zeitlang unterstützte, so dass er seinen ersten Roman »Hadrian the Seventh« 1904 vollenden konnte. Das Buch ist eine phantastische Autobiographie, eine Abrechnung mit der katholischen Kirche. Sein idealistischer Held wird aus ganz banalen Gründen aus dem Priesterseminar ausgeschlossen, dann aber aus Reue wieder aufgenommen und schließlich sogar zum Papst gewählt. In dieser Funktion verkauft er sämtliche Schätze des Vatikans und verteilt den Gewinn unter den Besitzlosen.
Dem Roman war kein durchschlagender Erfolg beschieden, doch konnte Rolfe sich in seiner Heimat Zugang zu den besseren Kreisen der Gesellschaft verschaffen, indem er vorgab, die Gräfin Sforza habe ihn adoptiert und ihm den Titel Baron Corvo vererbt. Eine Zeitlang kam er damit durch. Er hielt sich über Wasser, indem er seine vornehmen Bekanntschaften anpumpte, doch nachdem ein Zeitungsartikel ihn als Scheckbetrüger und Scharlatan bloßgestellt hatte, blieb ihm keine andere Wahl, als unterzutauchen. Einige Monate war er obdachlos und hielt sich öfter und länger als nötig in den öffentlichen Bedürfnisanstalten Londons auf. Dort schrieb er, nach eigenem Bekunden, ein kleines Buch mit italienischen Märchen und Heiligenlegenden auf Toilettenpapier. »Stories Toto Told Me« fand angeblich nur deshalb einen Verleger, weil ein Lektor von der eigenartigen Beschaffenheit des Manuskripts überrascht war. Der ersehnte Durchbruch beim Publikum blieb allerdings aus, und das Leben des Autors pendelte weiterhin |67| zwischen Gosse und Arbeitshaus. Nirgendwo konnte er lange bleiben, niemand hielt es lange mit ihm aus.
Rolfes unstetes Wanderleben führte ihn 1907 nach Venedig. Es war ihm gelungen, den Oxforder Griechisch-Dozenten und Kunstkenner Richard Dawkins von seiner schriftstellerischen Begabung zu überzeugen und ausreichend Geld von ihm zu leihen, um die Reisespesen zu decken. Von einem der besten Hotels der Stadt aus verschickte er dann unverschämte Briefe mit immer neuen Geldforderungen an wichtige Persönlichkeiten, die er nur dem Namen nach kannte. Die Bettelbriefe wurden allesamt abschlägig beantwortet, doch der Hotelbesitzer war von den großen Namen, die er auf der Post seines Gastes fand, sichtlich beeindruckt. So zögerte er lange, den Baron an die frische Luft zu setzen, obwohl dieser seine Rechnungen offensichtlich nicht begleichen konnte.
Irgendwann musste Rolfe dann doch seine komfortable Unterkunft verlassen und irrte tagelang mittellos und mit knurrendem Magen durch Venedig. Über einen Bekannten lernte er den Arzt Dr. Ernest van Someren und dessen Frau Ivy kennen. Er beichtete ihnen, dass er keine Unterkunft habe und Hunger leide, und so nahmen ihn die gutmütigen van Somerens in dem Glauben auf, damit etwas Gutes für einen armen Künstler und ihren eigenen Ruf als weitsichtige Kunstförderer zu tun. Rolfe bekam ein kleines Zimmer in ihrem Palazzo, wo er sich endlich der Arbeit an einem neuen Roman widmen konnte.
|68| Etliche Monate lebte Rolfe glücklich und zufrieden auf Kosten der van Somerens. Gelegentlich klagte er über die ungewöhnlich kargen Mahlzeiten, die im Haus seines Gastgebers, eines gesundheitsbewussten Ernährungswissenschaftlers, serviert
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