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Das Haus des Buecherdiebs

Titel: Das Haus des Buecherdiebs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Pechmann
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sammelten seine Freunde für Kuraufenthalte und Erholungsreisen. Angesichts solcher Hilfsaktionen erscheint sein Testament wie ein boshafter letzter Scherz: Peter Altenberg, der fast ausschließlich von freundlichen Zuwendungen gelebt hatte, hinterließ ein beträchtliches Vermögen von über 100 000 Kronen, das er der »Kinder Schutz- und Rettungsgesellschaft« vermachte. Jenen, die sich in der hohen Kunst des Schnorrens üben möchten, hinterließ er einen »idealen Pumpbrief« als Vorlage. Dieser endet mit den Worten: »… und zahlen Sie pünktlich und mit Freuden 25 Kronen pro Monat!«

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    |75| Sankt Harriet – Die gute Fee des Ulysses
    Jemand hat von mir gesagt: »Man nennt ihn einen Dichter. Er scheint aber hauptsächlich an Matratzen interessiert zu sein.«

    James Joyce

    Die Geschichten über Baron Corvo und Peter Altenberg sollen Kunst- und Literaturliebhaber gewiss nicht abschrecken und davon abbringen, ihr gutes Werk zu verrichten. Ich wollte nur zeigen, wie oft sich eine bibliophile Neigung mit einer ungenauen und idealisierenden Vorstellung vom Leben und Charakter der Schriftsteller und Künstler verbindet. Wie leicht diese Neigung ausgenutzt werden kann, ist in Dostojewskis kleinem liebenswertem Roman »Das Gut Stepantschikowo und seine Bewohner« nachzulesen. Im Mittelpunkt turbulenter Hochzeitsvorbereitungen steht der ebenso undurchsichtige wie durchtriebene Foma Fomitsch Opiskin, der sich auf dem Landgut des Oberst Rostanjow eingenistet hat. Foma, ein untalentierter Schriftsteller und Möchtegernintellektueller, tyrannisiert die Familie Rostanjows, doch der einfältige Oberst verehrt ihn für seine Bildung, seine Schriftstellerei und sein selbstbewusstes Auftreten und lässt sein Leben von den meist absurden Ratschlägen des Gastes beherrschen. Er ist ein amüsantes Beispiel für einen arglosen Bewunderer der Literatur, der viel zu spät erkennt, dass |76| er seine Großzügigkeit an einen Taugenichts verschwendet hat.
    Wie berechtigt und wichtig der selbstlose Einsatz für einen Autor und ein Werk sein kann, belegt hingegen die Arbeit von Harriet Shaw Weaver, die von ihren Freunden wegen ihres unermüdlichen Engagements zuweilen »Sankt Harriet« genannt wurde. Sie war keine engstirnige Bibliomanin, sondern eine Frau, deren Liebe zu Büchern mit der Liebe zur Literatur so eng verknüpft war, dass sie keine Mühen und Kosten scheute, eines der wichtigsten literarischen Werke des 20. Jahrhunderts an die Öffentlichkeit zu bringen.
    Harriet Weaver war eine zurückhaltende alleinstehende Engländerin. Sie stammte aus einer reichen und streng konservativen Familie, distanzierte sich jedoch schon in jungen Jahren von der Religiosität ihrer Eltern und begann sich für sozialistische und feministische Theorien zu interessieren. Anders als gewisse Leute, die gern Wasser predigen und Wein trinken, setzte sie ihre fortschrittlichen Ideen konsequent in die Tat um. Das Vermögen, das sie geerbt hatte, nutzte sie großzügig, um Bedürftigen zu helfen, literarische Projekte zu fördern und mittellosen Schriftstellern unter die Arme zu greifen. Gemeinsam mit ihrer Freundin Dora Marsden gründete sie 1913 die feministische Zeitschrift »The New Freewoman«, die später in »The Egoist« umgetauft wurde und avantgardistische Literatur, Lyrik und Kunst publizierte. Junge Dichter wie Ezra Pound und T. S. Eliot beeinflussten Stil und Inhalt des Magazins, und es war Pound, der Harriet Weaver früh auf die Arbeit eines damals |77| noch weitgehend unbekannten irischen Autors aufmerksam machte. 1914 und 1915 erschien im »Egoist« ein vielversprechendes Debüt als Serie: »Portrait of the Artist as a Young Man«. Harriet Weaver setzte sich bei dem amerikanischen Verleger Ben W. Huebsch für den Text ein, der den Roman 1916 in New York veröffentlichte, und kümmerte sich selbst um die englische Ausgabe. Die Druckkosten beglich sie aus eigener Tasche, zahlte hohe Tantiemen an den Autor und schickte ihm zudem anonyme Geldgeschenke.
    James Joyce, der mit seiner großen Familie in einer winzigen Wohnung in Triest lebte und an seinem nächsten Buch, dem »Ulysses«, arbeitete, schrieb Miss Weaver ellenlange jammervolle Briefe über seine schlechte Gesundheit, seine Geldprobleme, über die Kosten von Miete, Essen, Kleidung, mit detaillierten Preisangaben zu den neuen Hemden und Anzügen, die er dringend benötigte. Gleichzeitig grübelte er unablässig über die Identität jenes unbekannten Wohltäters, der ihm über

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