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Das Haus des Buecherdiebs

Titel: Das Haus des Buecherdiebs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Pechmann
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Antiquariat Soudry, um ein Exemplar zu erwerben. Der Buchhändler, der sich gerade mit anderen Dingen beschäftigte, nahm blindlings zwei Bände aus dem Regal und reichte sie ihm ohne weitere Umstände. Zu Hause angekommen, wollte sich Robert-Houdin eifrig der Lektüre widmen, als er überrascht den Titel las: »Lexikon der amüsanten Wissenschaften«. Das Inhaltsverzeichnis enthielt so merkwürdige Dinge wie die »Er klärung von Kartenkunststücken«, das »Erraten der Gedanken eines anderen« oder das »Abschneiden des Kopfes einer Taube, um sie wieder zum Leben zu erwecken«. Das alles hatte mit dem Uhrmacherhandwerk nichts zu tun. Es war viel besser und weit reizvoller – eine praktische Einweisung in die Kunst der weißen Magie! Durch das Versehen eines Antiquars hatte Robert-Houdin das Buch seines Lebens gefunden. Mit seinen »Soirées Fantastiques« sollte er schon bald das Pariser Publikum begeistern. Seine trickreichen Illusionen wurden weltberühmt. Queen Victoria lud ihn zur Privatvorstellung in den Buckingham Palace, und die französische Regierung schickte ihn nach Algerien, um die aufständischen Stammesfürsten von der Macht seiner Magie zu überzeugen und zu befrieden. Nur elf Jahre trat er im alten Palais Royal auf, doch seine erfolgreichen Tourneen und seine verblüffenden Tricks, Automaten und »Experimente« – die unerschöpfliche Flasche, die schwebende Uhr, das erstaunlich schnell wachsende Orangenbäumchen – sollten das Bild des Zauberkünstlers für mehrere Generationen prägen.
    In seinen Memoiren schrieb Robert-Houdin: »Wie |132| oft habe ich nicht seither den schicksalhaften Irrtum gepriesen, ohne den ich zweifellos ein bescheidener Uhrmacher in der Provinz geblieben wäre! Stimmt, mein Leben wäre still, ruhiger und angenehm verlaufen, so manche Strapazen, Aufregungen, Ängste wären mir erspart geblieben; doch auch welch herrliche Eindrücke, welche Augenblicke höchster Freude hätte ich nie erleben dürfen!«
    Fast scheint es so, als gäbe es für jeden Menschen ein Buch, das auf ihn wartet – ein Buch, das die Augen für all die schlummernden Talente und verborgenen Wünsche öffnet. Wer dieses Buch findet, hat, vielleicht ohne es zu ahnen, den magischen Schlüssel zur Wunderkammer seines Lebens entdeckt.

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    |133| Sonderbare Bücherperlen
    Wahnsinn gehört zum Wesen des Menschen.

    Blaise Cendrars
    Selbst jemand, der keine Bücher liest, dem all die Wunder der Literatur vollkommen gleichgültig sind, der sein Leben lieber an der frischen Luft als in staubigen Bibliotheken verbringt und den Tag mit gewinnbringenden Tätigkeiten füllt, kann von dem Reiz der Bibliophilie befallen und von der Schönheit oder Einzigartigkeit eines Buches verführt werden.
    Fred Board arbeitete in den 1940er Jahren in der Marketingabteilung einer großen New Yorker Firma und war in dieser Funktion häufig auf Geschäftsreise. Er übernachtete in schäbigen Hotels in langweiligen Ortschaften, die außer einer heruntergekommenen Bar und einem schäbigen Buchladen nichts zu bieten hatten. Board war weder Trinker noch Leser, doch er entschied sich stets für den Buchladen, um ein wenig mit dem Verkäufer zu plaudern und bei Ladenschluss irgendetwas zu kaufen. Die Klassiker der Weltliteratur interessierten ihn nicht, signierte Ausgaben hatten für ihn keinen Reiz, seltene Prachtbände konnte er sich nicht leisten – dennoch entdeckte er oft etwas Besonderes oder Nützliches, das er vielleicht nur aus Höflichkeit oder zum |134| Dank für das abendliche Gespräch erwarb. Manchmal kaufte er ein Buch nur, weil es billig war und er gern in der Vorstellung schwelgte, ein gutes Geschäft gemacht zu haben.
    So vergingen die Jahre. Schließlich wurde der fleißige Fred Board pensioniert. Sein Haus hatte sich nach und nach mit ungelesenen Büchern gefüllt, die Bände hatten ein Zimmer nach dem anderen erobert, doch er kaufte unbeirrt weiter. Merkwürdige Bücher. Bücher in eigenartigen Formen und Farben, runde Bücher, herzförmige Bücher, Bücher aus Beton, Bücher aus getrocknetem Nudelteig, Miniaturbücher, Riesenbücher, Bücher, die auf schottischer Wolle gedruckt waren, Bücher in seltsamen Sprachen und kryptischen Schriftzeichen. Board liebte es, nach dem Außergewöhnlichen zu fahnden. Er wurde zum Sammler, um des Sammelns willen, und er wollte besitzen, was niemand außer ihm besaß. So entdeckte er ein Buch, das 1860 in einem von Mormonen erfundenen Alphabet gedruckt worden war, das sich

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