Das Haus des Daedalus
Versuch, sie anzusprechen, aber sie beachtete ihn nicht.
Jupiter konnte nicht feststellen, ob sie denselben Weg nach oben nahmen, den sie herabgekommen waren. Für ihn sah hier unten alles gleich aus, feucht und dunkel und eng. Irgendwann hatte er das Gefühl, sich nie wieder aufrichten zu können, so stark wurde der Schmerz in seinem Rücken. Doch auch dieser Moment verging, und seine Gedanken kehrten zurück zur Shuvani und dem, was die Adepten ihr angetan haben mochten.
Irgendwann, vielleicht nach zwanzig Minuten, vielleicht nach einer Stunde, erreichten sie wieder die Leiter, die in den Keller des Gärtnerhauses führte. Janus pochte gegen die Falltür, und schon wenige Augenblicke später wurde sie von Cassinellis Pranken beiseite geschoben. Er half ihnen hinauf und deckte die Öffnung schließlich wieder ab.
»Es ist mir egal, wie Sie es anstellen«, sagte Coralina zu Janus, »aber ich möchte jetzt zurück in die Stadt. Ich muß mich um meine Großmutter kümmern.«
»Lassen Sie mich erst mal herausfinden, was im Krankenhaus geschehen ist«, bat Janus. »Ich kann dort anrufen.«
Coralina funkelte ihn wutentbrannt an. »Und was für eine Lüge werden Sie uns diesmal auftischen? Sie haben versprochen, daß sie in Sicherheit ist!« Ihre Stimme überschlug sich, und selbst Cassinelli verlor erstmals seinen stoischen Gesichtsausdruck und blickte besorgt von einem zum anderen. »Verdammte Scheiße, Janus, Sie haben gesagt, ihr könne nichts passieren!«
»Wir wissen nicht, ob ihr …«
»Ob sie tot ist?« brüllte Coralina und störte sich nicht an den Tränen, die über ihre Wangen rollten. »Herrgott, nicht einmal jetzt haben Sie den Mut, es auszusprechen. Sie ist tot, Janus! Das wissen Sie genausogut wie ich!«
Janus hielt ihrem anklagenden Blick einen Moment länger stand, dann wandte er sich an den Gärtner. »Ich muß telefonieren.«
Cassinelli nickte und machte sich auf den Weg zum Kellerausgang, aber Jupiter hielt Janus zurück, als dieser ihm folgen wollte.
»Sie haben gesagt, von Thaden kann die Leitungen abhören. Er wird also wissen, wo wir uns verstecken.«
»Haben Sie einen besseren Vorschlag?«
»Coralina hat recht. Bringen Sie uns aus dem Vatikan, ganz gleich, auf welchem Weg. Um den Rest kümmern wir uns selbst.« Er meinte, was er sagte, aber er hatte auch noch einen anderen Grund, Janus’ Telefonat mit der Klinik zu verhindern: Falls Coralina Gewißheit erhielt, daß der Shuvani etwas zugestoßen war, würde sie niemandem mehr trauen, schon gar nicht Janus, egal, ob er ihnen helfen konnte oder nicht. Auch Jupiter nahm dem Geistlichen übel, daß er die Gefahr für die Shuvani heruntergespielt hatte … andererseits hatte Janus nicht gewußt, daß sie im Besitz der Scherbe war.
»Ich kann Sie nicht rausbringen«, sagte Janus betreten. »Die Tore sind geschlossen. Die Wächter werden Anweisung bekommen haben, niemanden durchzulassen, den sie nicht kennen.«
»Was ist mit dem Weg durch das Wasserreservoir?« fragte Jupiter.
Janus starrte ihm verwundert in die Augen. »Ich habe Ihnen doch gesagt, daß noch nie jemand …«
»Sie haben es wirklich niemals versucht?« unterbrach ihn Jupiter scharf. »Sie nutzen den Raum als Versteck und haben den Ausgang direkt vor Ihrer Nase … und Ihnen ist nie der Gedanke gekommen, es zu probieren? Das nehme ich Ihnen nicht ab.«
Janus seufzte, während Coralina Jupiter erstaunt ansah. »Versucht, ja«, gestand der Geistliche schließlich. »Es wäre ein guter Fluchtweg aus dem Vatikan, wenn einen die Strudel im Reservoir nicht nach unten ziehen würden. Wir haben versucht, mit einer Art Floß überzusetzen. Mich hat man noch aus dem Wasser ziehen können, aber einer meiner Begleiter … Er ist ums Leben gekommen.«
Janus brach ab und schüttelte den Kopf. »Es funktioniert nicht, glauben Sie mir.«
»Haben Sie es mit Seilen versucht?«
»Sie wollen sich über das Wasser hangeln?« Janus schnaubte, »Das ist nicht Ihr Ernst!«
» Haben Sie es versucht?«
»Natürlich nicht. Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, daß ich kein Hochleistungssportler bin.«
Jupiter wechselte einen Blick mit Coralina, die ihm unmerklich zunickte. »Coralina und ich könnten es schaffen«, sagte er, obwohl ihm alles andere als wohl dabei war.
»Sie haben ja den Verstand verloren«, murmelte Janus.
»Wir schaffen es«, kam Coralina Jupiter zu Hilfe, »falls Sie uns helfen. Das sind Sie uns schuldig.«
Janus fuhr zornig zu ihr herum, doch als er die Entschlossenheit
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