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Das Haus des Daedalus

Titel: Das Haus des Daedalus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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mußten kurz nach Sonnenaufgang entstanden sein.
    Das Bild wechselte ins Studio. Eine Ansagerin las eine Meldung vom Telepromter ab. Im Hintergrund erschien ein Schwarzweiß-Foto … das Gesicht einer Frau mit geschlossenen Augen. Ihre Gesicht war aufgedunsen, auch wenn man sich Mühe gegeben hatte, ihr für das Bild einen friedlichen Ausdruck zu verleihen. Die Wangenknochen waren verschwunden, die Lider aufgequollen. Das schwarze Haar der Shuvani war immer noch straff nach hinten gebunden.
    Coralina drehte sich um und vergrub ihr Gesicht an Jupiters Schulter. Als einige der Umstehenden aufmerksam wurden, führte er Coralina ein paar Meter von ihnen fort.
    Er wußte nicht, was er sagen sollte, deshalb streichelte er hilflos ihren Rücken und wartete, bis ihr Schluchzen allmählich nachließ und ihr Körper nicht mehr von Weinkrämpfen geschüttelt wurde.
    Sie hatten beide keine echte Hoffnung gehabt, die Shuvani lebend wiederzusehen, aber daß sich ihr Tod auf diese Weise bestätigte, war entsetzlich. Man hatte sie wie ein Stück Müll in den Fluß geworfen, genau wie Cristoforo.
    Landinis Handschrift.
    Coralina machte sich mit einem Ruck von ihm los, wischte sich mit dem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht und sah ihn dann mit einer Entschlossenheit an, die er nicht erwartet hatte.
    »Du hast recht«, sagte sie leise. »Wir können nicht einfach abhauen.«
    Er schwieg und wartete, bis sie fortfuhr. Es wäre falsch gewesen, ihr vorzugreifen. Er wollte, daß sie diese Entscheidung allein traf.
    Coralina blinzelte eine letzte Träne aus dem Augenwinkel. »Ich will es jetzt wissen. Laß uns rausfinden, was das Haus des Daedalus wirklich ist.«
    »Ich bezweifle, daß die Shuvani das gewollt hätte.«
    »Landini hat sie umgebracht, damit der Standort des zweiten Eingangs ein Geheimnis bleibt«, sagte sie. »Damit niemand ihn öffnet.«
    »Und du willst ihn öffnen?«
    Sie nickte. »Jetzt erst recht.« »Und wenn Trojan die Wahrheit gesagt hat?«
    »Wir sind die einzigen, die das herausfinden können. Wenn wir uns jetzt aus dem Staub machen, wird kein Mensch je vom Haus des Daedalus erfahren.«
    Er lächelte schmerzlich. »Wir können nicht einfach in den Petersdom spazieren, über die Absperrungen steigen und …«
    »Das müssen wir auch nicht.«
    Er musterte sie verwundert. »Wie meinst du das?«
    »Ich glaube, daß Trojan und die anderen sich täuschen, wenn sie das Tor bei den Gebeinen des Petrus suchen.« Sie zog Jupiter ein Stück beiseite, so daß niemand im Vorübergehen mithören konnte, was sie sagte. »Santino war Kapuziner. Sein Orden hat ein Kloster an der Via Veneto. Er hat nicht im Vatikan gelebt und hätte dort nie nach dem Eingang suchen können. Santino hat vermutlich sein ganzes Leben im Kloster der Kapuziner verbracht, und dort hat er auch Cristoforo gepflegt. Hast du dir einmal überlegt, weshalb Cristoforo sich in die Obhut der Kapuziner begeben hat? Ich meine, du hast ihn doch gesehen …«
    »Er wirkte nicht wie jemand, der sich freiwillig von irgendwem behandeln läßt«, pflichtete Jupiter ihr bei, verstand aber noch immer nicht, worauf sie hinauswollte.
    »Cristoforo war vielleicht verrückt, aber er war nicht krank genug, um sich jahrelang von irgendwelchen Mönchen pflegen zu lassen. Trotzdem ist er ins Kloster an der Via Veneto gegangen und hat dort eine ganze Weile gelebt.«
    »Du glaubst, daß sich der Zugang im Kloster befindet?«
    »Es gibt noch etwas, das dafür spricht.«
    »Und das wäre?« »Die Knochengruft des Kapuzinerklosters. Bis vor ein paar Jahren war sie noch ein Geheimtip. Fünf Kapellen, deren Wände mit den Gebeinen von mehr als viertausend Mönchen dekoriert sind. Es gibt dort Altäre aus menschlichen Schädeln, Reliefe aus Wirbeln und Gelenken, sogar Kronleuchter aus Knochen. Seit die Kapuziner mitbekommen haben, daß sich die Gruft vermarkten läßt, ist sie auch für Besucher zugänglich.«
    »Wenn du recht hast, warum wissen dann die Adepten nichts davon?«
    »Sie kannten Santino nicht!« entgegnete Coralina. »Für sie existiert keine Verbindung zu den Kapuzinern.«
    »Er hat gesagt, er wurde verfolgt …«
    »Aber nicht von ihnen. Vermutlich von niemandem. Er war paranoid.«
    »Und der Stier?« Jupiter erinnerte sich noch gut an das, was er im Bücherlager unter der Vaticana erlebt hatte.
    Coralina blickte noch einmal zum Fernsehmonitor hinauf; dort lief mittlerweile eine Gameshow. »Wir werden es rausfinden. Das sind wir der Shuvani schuldig.«
    »Sie wollte die

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