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Das Haus des Daedalus

Titel: Das Haus des Daedalus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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wem?«
    »Sie wissen, vor wem.«
    »Falsch«, widersprach Jupiter. »Wir wissen so gut wie gar nichts. Nur, daß einige Personen aus dem Vatikan in die Sache verwickelt sind. Ehrlich gesagt, steigert das nicht gerade Ihre Glaubwürdigkeit.«
    »Sie haben recht«, sagte Estacado mit einem Seufzen. »Aber hätte ich Sie deshalb belügen sollen? Nicht jeder im Vatikan ist Ihr Feind.«
    Coralina kam näher. »Sagen Sie uns, wer Babio ermordet hat. Wer hat solches Interesse an der Scherbe?«
    »Die Adepten der Schale«, entgegnete der Spanier. »Ich nehme nicht an, daß Sie jemals von ihnen gehört haben.«
    Jupiter überlegte. »Adepten der Schale?« Er wandte sich an Coralina. »Sagt dir das was?«
    »Nichts.«
    »Ich werde Ihnen mehr darüber erzählen«, versprach Estacado.
    »Später. Erst müssen Sie fort von hier.«
    »Wir sollen mit Ihnen kommen? Sie können uns nicht wirklich für so dumm halten.«
    Ein zorniges Funkeln erschien in Estacados Blick. »Wollen Sie wirklich mit mir über Dummheit diskutieren? Haben Sie denn geglaubt, die Fachleute des Vatikans hätten keine Möglichkeiten festzustellen, ob sich noch weitere Kupferplatten in der Geheimkammer befunden haben?« Er sah Coralina vorwurfsvoll an. »Sie sind doch Restauratorin. Sie kennen die technischen Mittel, mit denen solche Funde untersucht werden. Es hat zwei Tage gedauert, aber dann gab es überhaupt keinen Zweifel mehr, daß in einem weiteren Mauerspalt etwas aufbewahrt worden war. Etwas, das plötzlich nicht mehr da war. Wie konnten Sie so naiv sein, die Kirche derart zu unterschätzen?« Er schnaubte verächtlich. »Es wäre geradezu lächerlich, wäre die Lage nicht so verteufelt ernst.«
    Coralina wollte aufgebracht widersprechen, doch Estacado gab ihr keine Chance. Statt dessen wandte er sich wieder an Jupiter und fuhr ohne Unterbrechung fort: »Und Sie? Lieber Himmel, die Scherbe ausgerechnet diesem Babio zu zeigen … Wußten Sie, daß er Fotos davon gemacht hat? Grundgütiger, er hat sie innerhalb eines einzigen Tages in halb Rom herumgezeigt und da sprechen Sie von Dummheit!«
    »In der Tat«, murmelte die Shuvani, unsichtbar jenseits der Regale.
    Jupiter achtete nicht auf sie. »Warum sollten Sie uns helfen wollen?«
    »Sagen wir, ich bin ein großer Bewunderer von Piranesis Kunst. Es widerstrebt mir zutiefst, daß eines seiner Werke der Anlaß für so abscheuliche Verbrechen ist. Und dabei haben wir noch gar nicht über den Tod dieses alten Malers gesprochen.« Die Art, wie er das sagte, unterstellte, daß Jupiter und Coralina auch daran die Schuld trugen. Vielleicht hatte er nicht einmal unrecht.
    »Ein Bewunderer Piranesis!« schnaubte Coralina und deutete zur Tür. »Es ist besser, wenn Sie jetzt gehen, Signore Estacado.«
    »Nein, warten Sie!« Die Shuvani trat zwischen den Bücherreihen hervor. Im grauen Halblicht schien sie um Jahre gealtert.
    »Die Stimme der Vernunft?« fragte Estacado mit ironischem Unterton.
    Coralina seufzte. »Das bezweifle ich.«
    »Ich würde niemals meinen Laden im Stich lassen«, sagte die Shuvani. »Aber wenn Sie den beiden Kindern wirklich helfen wollen, dann tun Sie es um Himmels willen.«
    »Großmutter!« Coralina klang aufgebracht. »Er ist …«
    »Er hat die Adepten der Schale erwähnt«, unterbrach die Shuvani sie. »Wenn wirklich sie dahinterstecken, solltet ihr jede Chance ergreifen, die sich euch bietet.«
    Jupiter und Coralina wechselten einen beunruhigten Blick. »Was weißt du über diese Adepten?«
    Die alte Frau senkte ihre Stimme. »Ich kannte einmal einen von ihnen.«
    »Hören Sie zu!« verlangte Estacado ungeduldig. »Sie müssen verschwinden, und zwar mit der Scherbe und der Kupferplatte. Ich kann Sie an einen sicheren Ort bringen.
    Für Erklärungen ist später noch genug Zeit.«
    »Warum sollten wir Ihnen glauben?« fragte Jupiter.
    »Sie haben keine andere Wahl, fürchte ich. Wenn Sie hierbleiben, wird man Ihnen Ihren Fund mit Gewalt abnehmen.«
    »Sie könnten zu denen gehören«, sagte Coralina. »Vielleicht bringen Sie uns nur aus der Stadt, um uns in aller Ruhe beseitigen zu können.«
    »Glauben Sie das wirklich?« Estacado blinzelte irritiert. »Hätten Sie mir eher vertraut, wenn ich aussähe wie ein Herumtreiber, wie ein alter verrückter Straßenmaler?«
    Jupiter ertappte sich bei dem Gedanken, daß Estacado recht hatte.
    Wäre der Bruder des Kardinals in Lumpen aufgetaucht, mit verfilztem Bart und Kreidestaub unter den Fingernägeln, hätte er ihn vielleicht für ebenso

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