Das Haus des Daedalus
verschroben wie Cristoforo gehalten. Gewiß aber hätte er nicht auf Anhieb einen Feind in ihm vermutet.
»Ich nehme nicht an, daß Sie uns irgendeine Garantie geben können?« sagte er. »Irgend etwas, das es uns leichter machen würde, Ihnen zu vertrauen?«
»Ich verlange gar nicht, daß Sie mir vertrauen«, erwiderte Estacado kühl. »Mir reicht es, wenn Sie einsehen, daß selbst eine kleine Chance besser ist als gar keine. Die Adepten werden nicht mehr lange zögern.«
»Geht mit ihm«, sagte die Shuvani. »Nehmt die Platte und die Scherbe mit.«
»Was ist mit dir?« fragte Coralina.
»Ich bleibe im Laden. Ich gebe dieses Haus nicht auf, niemals.«
»Dann bleibe ich auch«, erklärte ihre Enkelin mit fester Stimme.
»Nein! Die Adepten werden mir kein Haar krümmen.« Die Shuvani sah Estacado durchdringend an. »Es erklärt eine Menge, daß ausgerechnet diese Leute dahinterstecken. Ich weiß jetzt, warum wir noch am Leben sind.«
»Entschuldigen Sie bitte.« Jupiter zog die Shuvani hinter die Regale. In Windeseile war Coralina bei ihnen.
»Du mußt uns sagen, was du weißt.« Jupiter sah, daß ein Tränenschleier über den Augen der alten Roma lag. Aber er konnte jetzt keine Rücksicht auf ihre Gefühle nehmen.
»Das ist so lange her«, erwiderte sie müde. »Fünfundzwanzig Jahre, gleich nach meiner Ankunft in Rom. Es gab damals jemanden, einen tschechischen Architekten. Er und ich, wir waren … eng befreundet. Irgendwann erfuhr ich, daß er einer Art Geheimgesellschaft angehörte, die sich die Adepten der Schale nannte. Er wurde sehr wütend, als er feststellte, daß ich davon wußte, und bald darauf war es vorbei mit uns.«
»Und er ist noch immer hier in Rom?« fragte Coralina.
»Ja.«
Jupiter fielen Babios Worte wieder ein: Die Shuvani hatte einen Beau, der sie jahrelang becircte und umschwärmte.
»Hast du ihn jemals wiedergesehen?« wollte Coralina wissen.
»Nur aus der Ferne. Aber ich weiß, daß er hin und wieder Bücher bei mir gekauft hat … natürlich nur über Dritte.«
»Wie gefährlich kann ein Mann sein, der sich nicht einmal traut, seiner Ex unter die Augen zu treten?«
Die Shuvani schüttelte betreten den Kopf. »Damit hat das nichts zu tun. Er ist krank. Irgendeine Knochenkrankheit, glaube ich. Er sitzt heute im Rollstuhl.«
Jupiter stieß scharf die Luft aus. »Wie heißt er?«
Coralina sah ihn überrascht an. Er hatte ihr von den beiden Männern vor Cristoforos Palazzo erzählt, und nun gingen ihr die gleichen Gedanken durch den Kopf wie ihm.
»Domovoi Trojan«, sagte die Shuvani. »Professor Domovoi Trojan.«
»Der erste Baumeister des Vatikans«, erhob sich hinter ihren Rücken die Stimme Estacados. »Einer der mächtigsten Männer hinter den Fassaden der Kirche, und das, obwohl er nur ein weltlicher Mitarbeiter des Heiligen Stuhls ist.«
»Genau wie Sie, nicht wahr?« bemerkte Jupiter scharf.
Estacado schenkte dem Einwurf keine Beachtung. »Trojan ist für alle Bauprojekte des Vatikans verantwortlich. Unter seiner Leitung sind die Sixtinische Kapelle und die Fassade des Petersdoms renoviert worden. Er tritt so gut wie nie selbst in Erscheinung.« Estacado rümpfte die Nase. »Böse Zungen im Vatikan nennen ihn den Albert Speer des Heiligen Vaters.«
Coralina blieb mißtrauisch. »Wie gut kennen Sie ihn?«
»Gut genug, um die Worte Ihrer Großmutter bestätigen zu können«, sagte Estacado. »Trojan ist einer der Adepten der Schale, ein wichtiger Mann innerhalb der Gemeinschaft.« An die Shuvani gewandt fügte er hinzu: »Sie glauben wirklich, er hat Sie und Ihre beiden Schützlinge bislang in Frieden gelassen, weil er sich an Ihre gemeinsamen Jahre erinnert? Nun, das würde zu ihm passen. Er ist ein hoffnungsloser Romantiker.«
»Was ihn mir beinahe sympathisch macht«, sagte Coralina ätzend in Estacados Richtung.
Der Spanier verlor die Geduld. »Gut, dann bleiben Sie hier. Ich denke, Sie werden Professor Trojan bald kennenlernen.«
Er wollte sich abermals abwenden, doch diesmal drängte sich die Shuvani an Jupiter und Coralina vorbei und legte dem Mann ihre riesige Hand auf die Schulter. »Warten Sie! Die beiden gehen mit Ihnen.«
»Ich weiß nicht, ob das … «, begann Jupiter, doch die Shuvani fiel ihm ins Wort.
»Du wirst dafür sorgen, daß Coralina in Sicherheit ist«, sagte sie eindringlich. »Ich habe Fehler gemacht, zu viele Fehler. Du wirst meinem kleinen Mädchen helfen, nicht wahr?«
»Ich bin kein Kind mehr, Großmutter!« Die Worte hatten
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