Das Haus des Daedalus
Hinsicht«, fügte er mit einem irritierenden Blinzeln hinzu.
Aus den Schatten löste sich eine Gestalt, als hätte sie nur auf dieses Stichwort gewartet. »Janus«, sagte sie leise, »und unsere beiden Gäste. Ich habe euch schon früher erwartet.«
Es war eine Frau in schlichter Nonnentracht, hochgewachsen, mit schmalen Gesichtszügen. Sie hatte hellgraue Augen und trat ihnen mit einem feinen, abwartenden Lächeln entgegen.
»Schwester Diana«, stellte Janus sie vor, »die Äbtissin des Klosters.«
Sie reichte Jupiter ihre schmale, kühle Hand, dann begrüßte sie Coralina. Jupiter sah, daß sich die beiden Frauen musterten, so als herrsche zwischen beiden auf Anhieb eine unverhohlene Spannung.
»Wir haben eine kleine Mahlzeit für Sie vorbereitet«, sagte Diana. »Es ist spät, aber wir nahmen an, daß Sie vielleicht hungrig sind.«
Essen war das letzte, woran Jupiter während der vergangenen Stunden gedacht hatte, doch jetzt merkte er, daß er tatsächlich Hunger hatte. Coralina nickte unmerklich, ihr ging es genauso.
Janus und Diana wechselten einen Blick, dann führten sie die beiden durch die Gänge des Klosters in einen kleinen Speisesaal. Zwei weitere Nonnen, jünger als Diana, standen reglos zu beiden Seiten eines Tischs, auf dem für zwei Personen gedeckt war. In der Mitte stand ein silberner Kessel.
»Eintopf«, erklärte Diana. »Wir beschränken uns auf einfache Speisen.«
»Natürlich.« Jupiter zwinkerte Coralina verstohlen zu. Als er wieder zu Diana schaute, wurde ihm beschämt klar, daß die Äbtissin es bemerkt hatte.
»Wir wissen Ihre Mühe zu würdigen«, sagte er in einem flauen Versuch, die Situation zu retten.
Diana nickte ihm kurz zu, dann bat sie die beiden, Platz zu nehmen. Eine der schweigenden Nonnen öffnete den Kessel und füllte mit einer Kelle ihre Teller. Der Eintopf roch hervorragend.
»Wie viele Nonnen leben hier?« fragte Jupiter, während er den Löffel hineintauchte und kostete.
»Acht«, sagte Janus, »Diana eingeschlossen.« »Wir sind keine große Gemeinschaft«, ergänzte die Äbtissin. »Sie werden meine übrigen Schwestern später noch kennenlernen.«
Coralina probierte ebenfalls und verbrannte sich die Zungenspitze. »Sie haben versprochen, daß ich noch einmal versuchen kann, meine Großmutter zu erreichen«, sagte sie zu Janus.
Der kleine Mann nickte. »Und das sollen Sie … wenn Sie gegessen haben. Wenn Sie möchten, kann ich in der Zwischenzeit versuchen, ein paar Erkundigungen über Ihre Großmutter einzuholen.«
»Können Sie das denn von hier aus?«
»Ich will es zumindest versuchen.«
Er verließ den Speisesaal, und bald darauf folgte ihm die Äbtissin. Im Hinausgehen gab sie den beiden jungen Nonnen einen Wink, der ihnen bedeutete, die Gäste allein zu lassen.
Gleich darauf waren Jupiter und Coralina ungestört.
Coralina ließ den Löffel auf den Teller sinken und schüttelte langsam den Kopf. »Was soll das eigentlich alles?«
»Ich hab nicht die geringste Ahnung«, gestand Jupiter. »Ich nehme an, als nächstes wird Janus die Kupferplatte herbringen lassen.«
»Und dann?«
Er zuckte stumm die Achseln.
»Wir hätten niemals herkommen dürfen«, sagte Coralina. »Draußen in der Stadt …«
»Waren wir nicht mehr sicher«, unterbrach er sie. »Solange uns hier niemand vermutet, ist das vielleicht gar kein übles Versteck.« Er aß einen weiteren Löffel Eintopf, dann schob er den Teller von sich und ergriff Coralinas Hand. »Hey, wir kommen schon wieder heil aus der Sache heraus. Okay?«
Sie hob unschlüssig die Schultern, ohne ihm in die Augen zu sehen.
»Das ist alles meine Schuld. Ich hätte niemandem von der Geheimkammer erzählen sollen, schon gar nicht der Shuvani.«
Jupiter lächelte aufmunternd. »Sind wir schon soweit … bei Schuldzuweisungen?«
»Wir haben zu viele Fehler gemacht.«
»Estacado hat gepokert … und wir sind drauf reingefallen. Er hat gewußt, daß es die Platte gibt, aber er wußte nicht sicher, daß wir sie haben.«
Coralina nickte, dann umschlossen ihre Finger die seinen. »Du hast mich geküßt, vorhin.«
Er lächelte. »Ich erinnere mich dunkel.«
»Sei nicht so kaltschnäuzig.« Ihre Fingerspitzen streichelten seinen Handrücken. »Und Miwa?«
Jupiter seufzte. »Es wird Zeit, über sie hinwegzukommen … das hast du selbst gesagt.«
Sanft sah sie ihn aus ihren dunklen Augen an und schüttelte den Kopf. »Ich will nicht wissen, was du für richtig hältst, sondern was du tatsächlich denkst.«
Er
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