Das Haus des Daedalus
flackernden Kerzen erhellt.
»Der Raum ist abhörsicher«, erklärte Janus und fügte leiser hinzu: »Zumindest so sicher, wie das im Vatikan eben sein kann.«
Rund um eine Tafel saßen die acht Nonnen des Klosters. Die meisten waren erstaunlich jung, kaum eine älter als vierzig. Jupiter wußte genug über Nonnenklöster, um zu erkennen, daß die Altersstruktur im Mater Ecclesiae mehr als ungewöhnlich war. Die Frauen schauten ihren Gästen erwartungsvoll entgegen.
In der Mitte der Tafel lag die Kupferplatte. Das Licht der Kerzen gab ihr eine ockerfarbene Tönung.
»Sind das die Freunde, von denen Sie gesprochen haben?« flüsterte Jupiter Janus ins Ohr.
»Die besten, die ich finden konnte.«
Wunderbar, dachte Jupiter bitter. Ihre Verbündeten waren also acht Nonnen … Verbündete im Kampf gegen einen Geheimbund, der bereits mehrere Menschen auf dem Gewissen hatte. Mit jeder neuen Enthüllung, die Janus ihnen offenbarte, schienen ihre Chancen, den Vatikan jemals lebend zu verlassen, ein wenig mehr zu schwinden. Ein Blick in Coralinas Richtung zeigte ihm, daß ihr die gleichen Gedanken durch den Kopf gingen.
»Nehmen Sie Platz«, bat Janus und wies auf zwei freie Stühle an der Tafel. Die Blicke der schweigenden Nonnen folgten ihnen, als sie sich setzten. Jupiter fühlte sich immer unwohler, mochte Janus auch noch so oft beteuern, wie sicher sie hier waren.
»Ich habe Ihnen Erklärungen versprochen«, sagte der Geistliche. Auch für ihn gab es einen Stuhl, doch Janus blieb stehen. »Die Zeit ist gekommen, mein Versprechen einzulösen.«
»Warum?« fragte Coralina frei heraus. »Was haben Sie davon, uns einzuweihen? Sie wissen, daß wir die Scherbe nicht mehr besitzen … und die Platte gehört bereits Ihnen.« Sie deutete auf den siebzehnten Carceri-Stich.
Janus nickte, als hätte er diesen Einwand erwartet. »Sie waren die ersten, die die Scherbe und den Schlüssel in Händen gehalten haben. Ich denke, daß Sie in gewisser Weise ein Recht darauf haben, die Wahrheit zu erfahren.«
»Wir wollten die Sachen verkaufen«, konterte Coralina düster. »Das war alles. Es ging uns nur um das Geld, um nichts sonst. Wir werden uns nicht für irgendwelche moralischen Verpflichtungen umbringen lassen. Und schon gar nicht für eine Palastrevolution im Vatikan. Wenn es das ist, worauf Sie hinauswollen, vergessen Sie’s.«
Sie schaute Jupiter an, der ihr ein aufmunterndes Lächeln schenkte. Wenn sie aufgeregt war, erschien eine trotzige Falte über ihrer Nasenwurzel.
Die Nonnen schauten sich verunsichert an, doch zuletzt blieben ihre Blicke an der Äbtissin hängen.
»Sie verstehen noch immer nicht«, ergriff Diana das Wort. »Warum hören Sie nicht erst einmal zu?«
Jupiter legte seine Hand beruhigend auf Coralinas Oberschenkel. Die Äbtissin hatte recht. Sie konnten ihre Entscheidung treffen, wenn Janus ihnen alles erzählt hatte.
»Wie Sie wollen«, sagte er zu dem Geistlichen. »Legen Sie los.«
Janus sah Diana dankbar an; während er hinter den Nonnen auf und ab ging, begann er mit seinen Erklärungen. »Die Adepten der Schale formierten sich im 18. Jahrhundert. Zu Anfang trugen sie diesen Namen noch nicht, den gaben sie sich erst später. Sie waren eine Gruppe von sechs jungen Männern, die sich der Erforschung der antiken Ruinen verschrieben hatten, Studenten und Gelehrte, die in der vorzeitlichen Architektur nach einer verborgenen Botschaft suchten. Einer okkulten Botschaft.« Janus blieb stehen und sah Coralina eindringlich an. »Haben Sie jemals von Fulcanelli gehört?«
»Ein Pseudonym«, erwiderte Coralina. »Vermutlich ein französischer Alchimist, dessen wahrer Name nie mit völliger Sicherheit geklärt worden ist. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts hat er ein Buch veröffentlicht, in dem er versucht hat, zu belegen, daß die Architektur der gotischen Kathedralen nichts weiter ist als eine Art steinernes Zauberbuch.«
»Le Mystere des Cathedrales.« Janus nickte anerkennend. Jupiter erinnerte sich, daß er dieses Buch vor zehn Jahren im Laden der Shuvani gesucht hatte. »Fulcanellis Ausführungen haben damals in der Gelehrtenwelt für einigen Wirbel gesorgt. Und nun stellen Sie sich vor, daß unsere Adepten eine ähnliche Theorie bereits anderthalb Jahrhunderte früher entwickelten, nur daß sie sich nicht auf die Bauten des Mittelalters, sondern auf jene der Antike bezogen. Die Grundaussage aber ist dieselbe: Mystiker und Magier haben in den unterschiedlichsten Zeitaltern den Versuch
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