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Das Haus des roten Schlächters

Das Haus des roten Schlächters

Titel: Das Haus des roten Schlächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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geworden?«
    »Die Kommissare
des Königs haben es versiegelt. Seitdem ist niemand mehr
dagewesen.« Der Priester hustete. »Ich wüßte
es sonst. Der Sheriff von Essex zahlt mir ein kleines Handgeld,
damit ich darauf achte, daß die Siegel an Türen und
Fenstern nicht
aufgebrochen werden.« Er sah Cranston an. »Und sie sind
immer noch unversehrt. Es ist ja auch nichts mehr drin. Alles ist
fortgeschafft worden, das Dach ist eingestürzt, die Wiesen und
das Ackerland ringsum sind verkauft.«
    »Es gab weiter
keinen Erben?«
    »Nicht,
daß ich wüßte.« Pater Peter stellte
plötzlich seinen Becher beiseite. »Beim heiligen
Gott«, rief er. »Doch, da war etwas«, murmelte er
aufgeregt. »Vor drei oder vier Jahren, da war etwas sehr
Merkwürdiges. Wie ein Traum. Wann war das gleich? Ja, zu
Beginn des Advent. Das Jahr habe ich vergessen. Ich hatte die
Frühmesse gelesen und war ins Haus gegangen, um zu
frühstücken, und ging dann zurück in die Kirche, um
den Altar aufzuräumen.« Pater Peter schaute ins Feuer.
»Ich kam durch das Kirchenschiff und sah zu meiner
Überraschung einen Mann, der in Mantel und Kapuze vor dem
Eingang zur Marienkapelle
kniete.«   
    »Wo Mark
Burghgesh bestattet ist?«
    »Ja. Ich habe
einen leisen Gang, und zuerst hörte der Mann mich nicht. Aber
als er mich bemerkte, stand er sehr hastig auf, zog sich die Kapuze
tief ins Gesicht, drängte an mir vorbei und verließ die
Kirche, ohne meinen Gruß zu erwidern. Ich konnte nur ein paar
weiße Haarsträhnen sehen und seinen grauen, sauber
getrimmten Bart.« Er nahm seinen Becher und trank einen
Schluck. »Nun war es Jahre her, seit ich Bartholomew
Burghgesh gesehen hatte, und ich hatte geglaubt, er sei längst
tot, aber der Mann, den ich an jenem kalten Dezembermorgen sah, war
Sir Bartholomew persönlich. Dessen bin ich sicher. Er hatte
seinen Gang und die Haltung eines Berufssoldaten.«
    Athelstan beugte sich
aufgeregt vor. War Sir Bartholomew etwa am Leben? War er der
Schlächter mit den blutigen Händen, der seinen Opfern
auflauerte? »Sprecht weiter, Pater«, bat er.
    »Nun, ich habe
niemandem etwas davon gesagt. Die Leute im Dorf hätten ja geglaubt, ich
hätte getrunken oder sonstwie den Verstand verloren.« Er
grinste Athelstan an. »Ihr wißt ja, Bruder, wie gern
die Schäfchen über ihren Hirten
tratschen.«
    Athelstan
lächelte und warf einen Seitenblick auf Cranston, der mit
offenem Mund dasaß und den Enthüllungen des Priesters
lauschte.
    »Ein Jahr
später«, fuhr Pater Peter fort, »am Fest
Allerheiligen, war ich im Ale-Haus des Dorfes. Es war Herbst, und
die Landschaft verblich im rauheren Wetter. Wir redeten über
den Tod und erzählten uns gruselige Gespenstergeschichten. Der
Wirt - Gott hab ihn selig, er ist inzwischen gestorben -
erklärte plötzlich, er habe Sir Bartholomew Burghgeshs
Geist gesehen. Die ändern lachten ihn natürlich aus, aber
er blieb dabei und erzählte, etwa zur selben Zeit, als ich
glaubte, Sir Bartholomew gesehen zu haben, sei spät abends ein
Fremder ins Dorf gekommen und in der Schenke eingekehrt, um dort zu
essen und zu trinken. Der Mann hatte Mantel und Kapuze getragen und
kaum ein Wort gesprochen, außer um zu bestellen.« Der
Pater schloß die Augen. »Der Wirt berichtete, der Mann
habe deutlich gemacht, daß er in Ruhe gelassen werden wollte.
Woodforde liegt schließlich an der Landstraße nach
London, und wir haben oft Leute hier, die ihre Angelegenheiten
lieber für sich behalten. Jedenfalls - der Fremde wollte
gerade gehen, als ein Schankmädchen einen Krug fallen
ließ. Der Mann fuhr herum, und für ein paar Sekunden sah
der Wirt sein Gesicht. Und er schwor, es war Bartholomew
Burghgesh.« Pater Peter seufzte. »Ich sagte
natürlich kein Wort, aber ich war doch verblüfft und ging
am nächsten Tag zu dem alten Herrensitz bei Buxfield. Wenn es
Burghgesh war, dachte ich, war er doch sicher zu seinem alten Haus
zurückgekehrt. Aber nichts war angerührt worden.«
Achselzuckend spreizte er die Hände. »Das ist alles.
Gott allein weiß, ob der Mann, den der Wirt und ich gesehen
haben, wirklich Sir Bartholomew war. Andere Gerüchte von
plötzlicher Rückkehr aus dem Morgenland oder aus dem Grab
habe ich nicht gehört. Da ließ ich die Sache auf sich
beruhen.«       
    »Pater«,
sagte Athelstan, »bitte, wann war das? Vor drei odervier
Jahren?«
    Der Priester starrte
ins Feuer.
    »Ja … vor
drei Jahren«, antwortete er schließlich. »Aber
mehr kann ich Euch wirklich nicht sagen.«

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