Das Haus im Moor
sich schwerfällig Constance zu. »Was? Wovon redest du?«
»Ich rede von den anderen Malen, als sie schwanger war.«
Harry starrte Constance fassungslos an. Seine Nasenflügel blähten sich, sein Hals wurde dick, als würden sich die Worte darin stauen, aber er sagte nichts. Millie saß mit gesenktem Kopf in ihrem Sessel. Adas Augen waren ebenfalls auf ihre Tante gerichtet.
Harry fragte schließlich: »Warum sagst du so etwas?«
»Weil es wahr ist. Es stimmt, nicht wahr, Millie?«
Millie reagierte nicht. Constance hätte Harry um nichts auf der Welt verletzen wollen. Sie hatte ihn immer gemocht. Manchmal hatte sie sich sogar gewünscht, daß sie Harry eher als Jim kennengelernt hätte. Sie wußte tief in ihrem Herzen, daß auch Harry etwas für sie empfand, das wenig mit den Gefühlen eines Schwagers für seine Schwägerin zu hatte. Jetzt aber würde sie ihn in Stücke reißen müssen.
»Erinnere dich, Harry«, fuhr sie mit zitternder Stimme fort. »Weißt du noch, als sie vor drei Jahren mit mir nach Devon fuhr? Sie war damals fünfzehn. Also, Harry, wir sind nicht nach Devon, sondern nach London gefahren. Und sie hat sich das Baby wegmachen lassen. Ich habe fast zweihundert Pfund dafür bezahlt, Harry. Dann, als sie gerade siebzehn geworden war, hatte sie glücklicherweise eine Fehlgeburt. Ich war nicht da, aber Millie hat mir davon erzählt. Sie hat mir auch erzählt, daß Ada auch dieses Mal versucht hatte, es loszuwerden, Harry. Aber es hat nicht funktioniert, und so mußte sie über einen Ausweg nachdenken. Also hat sie sich Peter gegriffen, weil …« Constance zögerte für einen Augenblick, bevor sie den Faden wieder aufnahm: »Weil sie glaubt, daß sie mit Peter auch Geld haben wird. Außerdem kann sie, wenn sie behauptet, Peter sei der Vater, auch mich verletzen. Sie konnte mich nie leiden, weil ich … weil ich das, was getan werden mußte, nicht für sie, sondern für Millie getan habe. Das wußte sie.«
Harry stand stocksteif da. Er sah so jämmerlich aus, daß sie ihn nicht länger ansehen konnte. Sie merkte, daß Millie aufstand und zu ihm ging. Harry fragte seine Frau ganz leise: »Ist das wahr, Millie?«
Und Millie antwortete: »Ja. Ja, es ist wahr.«
Millie wandte sich jetzt Ada zu. »Sie ist mein eigen Fleisch und Blut, aber sie ist schlecht. Ich … ich habe versucht, dich zu warnen, aber du wolltest nicht zuhören. Sie lügt. Sie hat ihr ganzes Leben gelogen, aber du … aber du hast ihr immer geglaubt. Eines weiß ich genau: Wenn sie jedes Mal ein Baby bekommen hätte, nachdem sie mit jemandem zusammen war, wären die Straßen …«
»Nicht! Bitte, nicht!« Harry ließ den Kopf hängen, die Hände bedeckten sein Gesicht, und als Millie den Arm um seine Schultern legte, stieß er sie beiseite.
Er benötigte eine Weile, um sich zu fassen. Dann drehte er sich um, ging zu seiner Tochter und fragte: »Was hast du dazu zu sagen?«
»Pah! Sie haben mir nicht viel übrig gelassen, nicht wahr?« Adas Stimme zitterte leicht, aber sie sah Constance über die Schulter hinweg an und fuhr affektiert fort: »Mach dir keine Sorgen, Liebes, niemand wird je davon erfahren. Das schwöre ich dir. Du kannst sicher sein, was auch immer passieren mag, es wird niemand außer deiner Mutter, dir und mir je wissen … Danke, Tante Connie. Und wie Recht du doch hast. Ich konnte dich noch nie ausstehen. Du bist so verdammt blasiert und so eine schwachsinnige Heuchlerin …«
»Hör auf damit!« Harry unterbrach sie grimmig. »Noch eine letzte Frage, Mädchen. Ist Peter der Vater?«
Ada drehte sich jetzt zu Peter um, der immer noch blaß war, und zischte voller Verachtung: »Diese Nulpe! Dieses Weichei! Der weiß doch gar nicht, wie …«
Die Ohrfeige warf sie zu Boden, und Millie stürzte auf Harry zu, der schon zur Nächsten ausholte. Jim half Ada auf, und Peter ließ sich auf das Sofa fallen. Nur Constance blieb, wo sie war.
Ada schwankte etwas, als sie zur Tür ging. Sie lehnte sich an den Türrahmen und brüllte: »Ihr alle! Was wißt ihr schon davon! Ihr seid alt, ihr seid Knie aufwärts doch alle tot. Und der da« – sie sah zu Peter und schürzte die Lippen – »der liegt doch noch in den Windeln. Als ob der ein Kind zeugen könnte! Gott! Bei dem reicht’s noch nicht mal für eine Kaulquappe. Und eins will ich euch noch sagen …« Jetzt wandte sie sich an ihre Mutter. »Ich werde leben, egal wie, aber ich werd’s tun. Jetzt, wo ich euch alle vom Hals habe, wird’s leicht sein. Zur Hölle mit
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