Das Haus im Moor
verließ das Zimmer.
Constance verspürte auf einmal ein übermächtiges Verlangen nach dem langen Raum, nach dem vom Wind gepeitschten Haus. Sie wollte weg von diesem Leben, von diesen Jims und die Adas, diesem einfältigen und schmutzigen Abschaum. Auf die ein oder andere Art und Weise war sie jahrelang mit diesem Abschaum überhäuft worden. Sie stand hastig auf. Vielleicht fuhr Peter ja mit ihr.
Sie klopfte an seine Tür, bekam aber keine Antwort. Als sie das Zimmer betrat, sah sie ihren Sohn auf dem Bett Hegen. Er drehte sich nicht zu ihr um. Sie sagte: »Ich überlege, heute Abend noch zurückzufahren. Würdest du gern mitkommen?« Es dauerte ein paar Sekunden, bis er antwortete, und seine Stimme war belegt: »Nein, nicht heute Abend.« Sie wußte, daß er weinte.
Constance wollte ihn in die Arme nehmen und trösten, aber sie sagte nur mit gespielter Leichtigkeit: »In Ordnung, es war nur eine Idee. Es gibt keinen Grund zur Eile. Dann fahren wir eben morgen.«
In ihrem Zimmer betrachtete sie im Spiegel ihr langes, weißes Gesicht. Sie sah verloren aus. Dem Verlangen zu weinen konnte sie nicht nachgeben, denn sie wußte, daß nur die Jungen oder die Alten weinten. Und sie war weder das eine noch das andere.
9
Constance steuerte das Auto in eine Haltebucht, lehnte sich zurück und entspannte sich. Dann warf sie einen Blick auf die Körbe und Kartons, die auf dem Rücksitz standen. Mit denen, die noch im Kofferraum waren, würde sie dreimal zum Haus hinauf laufen müssen.
Heute Morgen, als sie gepackt hatte, war sie davon ausgegangen, daß Peter mit ihr fahren würde. Sie war sehr enttäuscht gewesen, als er sagte, daß er erst am Abend nachkäme.
Sie hatte auch Jim gefragt, ob er sie begleiten wollte, aber er hatte sich mit Arbeit entschuldigt.
Schwer beladen stieg Constance den Hügel hinauf. Als sie das Haus erreichte, traf sie zu ihrer Überraschung auf Kathy O’Connor, die am Rand der Terrasse saß und ihre Füße ins Gras baumeln ließ.
»Oh, hallo, Mrs. Stapleton. Ich … ich bin einfach mal heraufgekommen, um mich umzusehen.« Sie breitete die Arme aus und zeigte auf das Tal. »Ich wußte, daß Sie noch nicht da waren. Ich hoffe, es stört Sie nicht.«
»Natürlich nicht.« Constance schüttelte den Kopf. »Es ist schwül heute, nicht wahr? Mir ist heiß.«
»Kommen Sie. Ich helfe Ihnen.« Kathy nahm einige Kartons. Constance gab der Tür einen Stoß mit dem Po und lachte. »Moira hat mir diesen Trick gezeigt.«
Nachdem sie die Kartons auf den runden Rosenholztisch neben der Treppe abgesetzt hatte, sah sie sich um und sagte dann: »Ich habe das Gefühl, wochenlang weg gewesen zu sein. Es ist wunderbar, wieder hier zu sein.«
Kathy nickte verständnisvoll. »Es ist schon komisch, wie es einen gefangennimmt. Unten im Kindergarten habe ich manchmal schreckliches Heimweh. Als ob ich tausend Meilen weit weg wäre. Entweder liebt man dieses Leben und die Gegend oder man haßt es.«
»Also, ihr scheint es alle zu lieben.«
»O nein. Nein. Kevin konnte es nicht ertragen. Er ist fast verrückt geworden.«
»Kevin?« Constance sah Kathy fragend an.
»Der Zweitälteste. Er ist verheiratet und hat vier Kinder. Sie kommen in den Ferien her, aber er ist immer froh, wenn er wieder fahren kann. In die Stadt, meine ich.«
»Lebt er in Newcastle?«
»Nein, in Jarrow. Eine Woche dort würde mich umbringen, aber ihm gefällt’s. Sein Frau ist von dort, so sind alle glücklich. Soll ich Ihnen eine Tasse Tee machen?«
»Das wäre schön, aber ich habe noch mehr Zeug im Auto.«
»Oh, dann helfe ich Ihnen lieber.«
Sie schleppten die restlichen Gepäckstücke herauf. Kathy setzte den Kessel auf und stellte das Geschirr auf ein Tablett, so selbstverständlich, als ob sie das in diesem Haus jeden Tag tun würde. Sie tranken den Tee in dem langen Raum. Nach einer Weile bemerkte Constance: »Peter hat mir erzählt, daß er Sie vor ein paar Tagen getroffen hat.«
»Ja. Wir haben zusammen Kaffee getrunken. Er ist sehr nett und lustig.«
Constance lag es auf der Zunge zu sagen: ›Ach, wirklich?‹, aber stattdessen bestätigte sie: »Ja, er lacht sehr gern.« Sie hatte ihren Sohn immer für einen sehr ernsthaften Jungen gehalten. Es war merkwürdig, jemanden sagen zu hören, daß er lustig sei, aber sie freute sich darüber. »Haben Sie heute Ihren freien Tag?«
»Einen halben«, sagte Kathy. »Und den brauche ich auch.«
»Kümmern Sie sich gern um Kinder?«
»O ja, sehr gern. Aber ich glaube, daß mir
Weitere Kostenlose Bücher