Das Haus im Moor
und fragte mit hoher Stimme: »Ich … ich habe mich gefragt, ob Hartnah wohl bei Ihnen hereingeschneit ist.«
»Nein, Mr. O’Connor. Ist sie noch nicht wieder da?«
»Nein. Aber es ist noch früh. Diese Busse, wissen Sie … Wir dachten, daß sie vielleicht den letzten verpaßt hat.«
Wenn das stimmte, warum suchten sie dann hier nach Hannah?
Sean fuhr fort: »Es gibt eine kleine Schneise zwischen den Hügeln, und wenn sie den Bus verpaßt hat, geht sie vielleicht diesen Weg. Dann hätte sie hier bei Ihnen noch eine Rast einlegen können. Nun- dann werde ich mal wieder gehen. Ist bei Ihnen alles in Ordnung, Mrs. Stapleton?«
»Oh, ja, Mr. O’Connor, danke.«
»Brauchen Sie etwas?«
»Nein, im Moment nicht, danke.«
»Wußten Sie schon, daß wir bald Strom im Haus haben werden?«
»Ja. Vi … Vin hat’s mir erzählt.« Sie hatte seinen Vornamen noch nie vor anderen ausgesprochen.
»Ah ja. Er leistet da unten eine großartige Arbeit. Bald wird er ein gemachter Mann sein. Gute Zeiten brechen an, gute Zeiten, Mrs. Stapleton. Bald wird’s uns endlich gut gehen.«
»Ja, davon bin ich überzeugt.«
»Wie geht’s Ihrem Mann?«
»Oh, sehr gut, danke.«
»Hat er hart an diesen Büchern gearbeitet?«
»Sehr. Und jetzt schreibt er gerade ein Neues. Damit verbringt er all seine Zeit.«
»Und Ihr Junge? Auf den Jungen können Sie stolz sein, er hat was von einem Prinzen. Das habe ich gestern erst zu Klein-Michael gesagt. ›Da gibt’s jemanden, dem man nacheifern kann‹, habe ich gesagt. ›Sieh nur genau hin, wie gut dieser junge Mann sich benimmt.‹«
»Oh, Mr. O’Connor, Sie sollten Peter nicht als Vorbild hinstellen. Er ist wie jeder andere Junge auch, ganz normal.«
»Ach, es ist gut, daß Sie das so sehen. Nur wenige Leute finden, daß ihre Söhne ganz normal sind. Jetzt muß ich aber gehen. Nur eins noch: Falls Hannah doch noch kommt, würden … würden Sie uns Bescheid geben?«
Diese Bitte war – milde ausgedrückt – merkwürdig, aber Constance antwortete trotzdem: »Ja. Ja, natürlich, Mr. O’Connor.«
Einige Minuten später, als sie gerade das heiße Wasser in die neu erworbene Sitzbadewanne schütten wollte, überlegte Constance es sich anders und entschloß sich, noch eine Weile zu warten, falls Hannah doch noch auftauchen sollte. Irgend etwas an der ganzen Sache war seltsam.
So verging eine weitere Stunde, ohne daß sie ihr Bad nahm. Um neun Uhr dachte sie, daß jetzt schon so viel Zeit verstrichen war, daß es auch nichts mehr ausmachte, wenn sie noch auf Peter wartete.
Peter kam eine halbe Stunde später, und er machte sich auf merkwürdige Art und Weise bemerkbar. Er war noch weit vom Haus entfernt, als sie ihn rufen hörte: »Mutter! Mutter! Bist du da, Mutter?«
Constance lief zur Hintertür und starrte in die Dunkelheit. Da hörte sie wieder seine Stimme: »Mutter! Bist du da, Mutter?«
Sie rannte den Pfad hinunter, lief um das Waschhaus herum und rief: »Wo bist du?« Peters Stimme war schon ganz nah. »Hier! Hier!«
Als sie ihn erreicht hatte, schnappte sie nach Luft. »Was ist los? Bist du verletzt? Hattest du einen Unfall?«
»Nein! Nein!« Peter war auch außer Atem. »Sieh mal, es ist Hannah! Hilf mir mal.«
Sie streckte ihre Hände nach dem schlaffen Körper aus, der halb auf dem Boden lag, und murmelte: »Was … was ist mit ihr? Was hat sie?«
»Gott, siehst du das nicht? Sie ist sturzbetrunken. Ich hab sie beinahe überfahren, so etwa zwei Meilen von hier. Sie wankte einfach über die Straße. Gott, hab ich Angst gehabt! Ich hätte sie fast überfahren!«
»Kommen Sie schon, na los, Hannah! Sie sind fast da.« Er zog wieder an ihr.
»Fast da«, murmelte Hannah, »fast da. Nach … Hause … kommt … die Taube.«
Als sie das Waschhaus erreicht hatten, lehnten sie Hannah an eine Wand, um wieder zu Atem zu kommen. Und Hannah begann zu lachen. Sie lachte, bis sich ihr ganzer Körper schüttelte. Constance und Peter zerrten sie ins Haus. Schließlich lag Hannah auf dem Sofa in dem langen Raum. Sie kicherte immer noch, während sie zu Constance und Peter aufsah. Plötzlich jedoch änderte sich ihr Gesichtsausdruck, und sie brach in Tränen aus. Sie griff mit zitternder Hand nach Constance und begann zu stammeln: »Er … er war’s. Geh zur Beichte, hat er gesagt, geh zur Beichte. Es ist doch nicht falsch … es doch nicht falsch, Kinder zu bekommen, oder ist das heutzutage falsch? Das ist eine ehrliche Frage. Ist das heutzutage falsch?«
»Nein, Hannah,
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