Das Haus im Moor
»Möglich. Aber es geht uns nichts an.«
Peter folgte ihr in die Küche und flüsterte, als ob sie abgehört würden: »Aber wer hätte das gedacht? Und wie konnte er bloß … ich meine, Mr. O’Connor?«
»Ich weiß nicht, Peter.« Constance war blaß. »Und wir müssen es auch nicht wissen. Es ist ihre Angelegenheit.«
Er beobachtete, wie sie Wasser in den Kessel füllte, etwas Milch in einen Topf goß und das Gas anzündete. Sie schien ebenfalls bestürzt. Peter schwirrte der Kopf. Es war schon ziemlich seltsam, denn es bedeutete, daß die Kinder da unten alle illegitim waren, also auch Kathy … Na und? Es war ihm egal, ob Kathy unehelich war, er wollte sowieso nichts mit Mädchen zu tun haben. Die Sache mit Ada hatte dem ein für alle Mal einen Riegel vorgeschoben. Peter zitterte innerlich noch immer, wenn er an Adas Anschuldigung dachte. Und er zitterte vor Wut auf seinen Vater. Er warf Constance einen Blick zu, als ob er sie nie gesehen hätte. Warum … warum nur hatte sie es all die Jahre mit Jim ausgehalten? Sie hatte Klasse. Das sah man an ihrer Gestalt, an ihrem Gesicht und überhaupt. Außerdem war sie nett. Gott, wenn sie diese letzte Sache auch noch herausbekam, würde sie verrückt werden. Aber wäre es nicht vielleicht besser, wenn sie es wüßte? Vielleicht würde sie dann den endgültigen Schritt wagen, bevor sie noch älter wurde. Und sie war schon alt, immerhin siebenunddreißig … Andererseits hatte sie schon früher Dinge herausgefunden und nichts unternommen. Es sah so aus, als hätte sie Angst davor, ihn gehen zu lassen. Aber was für ein Leben hatte sie denn mit ihm? Peter konnte es nicht verstehen. Es ging über seinen Horizont.
»Willst du dich waschen?« fragte Constance. »Im Boiler ist noch heißes Wasser.«
»Ich könnte ein Bad nehmen. Sieh mich mal an, ich bin bis zum Hals voller Dreck.«
»Geh und zieh dich aus. Ich mache schon mal die Wanne voll.«
»Danke. Das wäre großartig.«
»Möchtest du deinen Kaffee jetzt, oder willst du noch warten?«
»Ich trinke ihn lieber, nachdem ich mich gewaschen habe.«
Constance nahm die Milch vom Feuer, ließ das heiße Wasser in den Eimer laufen und füllte nach und nach die Wanne.
Als Peter in seinem Bademantel in die Küche kam, klopfte jemand an die Tür, und er fragte: »Soll ich nachsehen? Wahrscheinlich ist … es einer von ihnen.«
»Nein, nimm du dein Bad, ich geh schon.«
Draußen stand Vincent O’Connor, und Constance zögerte für einen Augenblick, bevor sie fragte: »Möchten Sie nicht hereinkommen?«
Er folgte ihr in den langen Raum. Vor dem Sofa blieb er stehen und sagte: »Sie hat all ihre Bezüge schmutzig gemacht.«
»Oh, das ist nicht schlimm, die kann man waschen.«
»Es tut mir alles sehr Leid.« Sie sahen sich an, und Constance wandte den Blick nicht ab, als sie antwortete: »Es ist vollkommen in Ordnung. Es … es geht uns überhaupt nichts an.«
»Sie sind sehr höflich.« Sein Mund zuckte kaum wahrnehmbar. »Aber Sie können nicht verbergen, daß Sie abermals schockiert sind.«
»Abermals schockiert?« Constance riß die Augen auf. »Warum sollte ich?«
»Aus dem einfachen Grund, daß mein Vater entgegen aller Vernunft und gegen jedes Gesetz zwei Frauen hat.«
Constance blinzelte. Dann wandte sie den Blick ab und forderte Vincent auf: »Möchten Sie sich nicht setzen?«
Er wählte einen Stuhl, der an der Wand neben dem Fenster stand. Es sah aus, als säße er in einem Wartezimmer, und sie sagte spontan: »O bitte, nicht dort. Machen Sie’s sich bequem.« Sie deutete auf einen schön bezogenen Stuhl neben dem Kamin, aber er entgegnete: »Das reicht mir.«
Dann fragte er brüsk: »Möchten Sie es hören?«
»Oh!« Constance blinzelte wieder. »Ich habe schon gesagt, daß es …«
»Ich weiß, ich weiß.« Er nickte heftig. »Es geht Sie nichts an. Aber ich möchte die Dinge erklären, damit Sie sie richtig verstehen, weil es um meine Mutter geht.« Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Das ist der Grund … Hannah ist, wie Sie schon ahnen werden, meine Mutter, aber sie ist nicht meines Vater Frau. Wir haben immer seine Frau ›Mutter‹ genannt, auch … auch als wir erfuhren, daß sie’s gar nicht war. Sie wollten es so, alle drei. Es war ziemlich …« Er rieb sich das Kinn und starrte in den Kamin. Dann fuhr er fort: »Es war einfach so. Meine Mutter ist eine Wheatley. Die Wheatleys gehörten hier in der Gegend zu den angesehenen Familien. Das Haus dort unten war nicht immer so
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