Das Haus im Moor
stand. Plötzlich fühlte sie sich krank, und sie bekam Angst, sehr große Angst. Und das hatte nichts damit zu tun, daß Vincent O’Connor einen Mann umgebracht hatte.
Z WEITER T EIL
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Eine Woche später feierten die O’Connors ein Fest, weil sie endlich Strom in ihrem Haus hatten. Vorerst sah man das zwar nur an einer nackten Glühbirne, die über der Küchentür hing, aber alle waren so aufgeregt, als wären sie in ihrem Hof auf Öl gestoßen.
Vincent kam aus dem Schuppen, in dem der Generator stand. Er wischte sich die Hände an einem alten Lappen ab und beobachtete seinen Vater, der die Herzogin in den Stall brachte, damit sie gemolken werden konnte. Die Jungen waren dabei, ihre Arbeit zu erledigen: Joseph versorgte die Hühner, Davie hackte Holz, und Michael fütterte die Schweine. Kathy und Moira waren im Haus und halfen, das große Festessen zuzubereiten. Es ging nicht nur darum, den Einzug der Elektrizität zu feiern, sondern alle sollten sehen, wozu ein echter Northumberländer fähig war.
Vincent ging in seine Werkstatt und setzte sich auf einen Hocker. Aus Gewohnheit nahm er ein Messer und begann, ein Stück Holz zu bearbeiten. Nach einer Weile hielt er jedoch inne und betrachtete seine Hände. Er sollte sich eigentlich umziehen, seine Mutter erwartete das sicherlich. Aber was würde … was würde sie dort oben wohl erwarten? Nichts. Nichts. Ihr wares gleichgültig, wie er sich kleidete. Warum hatte er ihr überhaupt davon erzählt? Sie würden miteinander auskommen, miteinander sprechen müssen. Wahrscheinlich hatte sie keine Schwierigkeiten, sich mit den anderen zu unterhalten, aber von jetzt an würde sie Probleme damit haben, mit ihm zu sprechen. Warum war er nicht hinaufgegangen und hatte alles erklärt? Vergangene Woche hätte er es jederzeit tun können. Warum, in Gottes Namen, hatte er es ihr nur erzählt? Das konnte niemand so leicht verdauen. Ach, es war egal, es war sowieso egal. Er warf das Stück Holz auf die Bank. Eigentlich war es das Beste, was er hatte tun können. Die Saat war abgetötet worden, bevor sie Zeit gehabt hatte zu keimen. Er war verrückt. Schon den ganzen letzten Monat war er verrückt gewesen. Er wünschte, sie hätte das Haus nie gesehen. Vielleicht würde sie jetzt auf Distanz zu ihren Nachbarn gehen, und es war mehr als wahrscheinlich, daß sie im Winter in die Stadt zurückkehren würde. Es würde ihn nicht überraschen, wenn sie dann im Frühling das Haus verkaufte. Vielleicht wäre es sogar das Beste.
Vincent sah sich in der Werkstatt um und bewunderte die neuen Maschinen. Früher einmal, da hätte er mit allem hier brechen können, wenn er gewollt hätte, aber dafür war es jetzt zu spät. Indem er das Haus verkauft hatte, hatte er sich eine weitere Kette um den Hals gelegt. Sie erwarteten jetzt von ihm nicht nur, daß er für ihren Lebensunterhalt sorgte, sondern daß er sie reich machte. Er seufzte, und die Anspannung verflog … Reich! Wenn er es schaffte, fünfzehn Pfund in der Woche zu verdienen, würden sie sich für reich halten. Es brauchte nicht viel, um sie zufriedenzustellen, und bis vor ein paar Wochen war das auch alles gewesen, wofür er hatte sorgen wollen, aber jetzt … Er gab sich einen Ruck und stand auf.
Während Vincent durch die beiden Lagerräume ging, hörte er Florences Stimme: »Ich denke, das war’s«, und als er in die Küche kam, wandte sie sich an ihn: »Oh, da bist du ja. Ich wollte dich gerade holen lassen. Du solltest dich jetzt lieber umziehen.«
Kathy fragte: »Wirst du deinen Abendanzug oder doch lieber deinen Hausmantel tragen?«
Vincent gab ihr einen zärtlichen Klaps. Nachdem er sich das Gesicht gewaschen hatte, sagte er nachdenklich zu ihr: »Urgroßvaters Kilt hegt immer noch in der Schachtel. Ich habe mich gefragt, ob dies nicht die richtige Gelegenheit ist, ihn anzuziehen.«
Kathy lachte aus vollem Hals und erwiderte: »Ich wette, daß du dich nicht traust.«
»Na ja, das hängt vom Wetteinsatz ab.«
Kathy lachte wieder und fragte dann: »Glaubst du, daß sie kommen?«
»Warum nicht?«
»Oh« – sie warf ihr Haar zurück – »nachdem, was neulich abends passiert ist …«
»Das wird für sie keinen Unterschied machen«, mischte sich Florence ein.
»Ich weiß nicht.« Kathy ging zum Kamin, und Florence fuhr fort: »Warum sollte es? Jedenfalls hat sie die Einladung angenommen.«
»Sie ist ein bißchen förmlich.«
»Förmlich? Ich würde nicht sagen, daß sie förmlich ist.«
Florence und Kathy sahen
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