Das Haus im Moor
er sein Leben mit einem teilen würde, einem weggenommen oder … oder verdorben wird.«
Vincent ließ sich langsam auf das Sofa nieder, lehnte sich zurück und sah ins Feuer. Das Schweigen, das sich über sie senkte, war wohltuend. Aber die Erinnerungen an den Neujahrsmorgen kamen zurück, und als Constance sich vorstellte, mit welcher Leidenschaft sie sich an ihn geklammert und seine Küsse erwidert hatte, wurde ihr heiß, und sie hoffte, daß er nicht die Hand ausstrecken und sie berühren würde. Sie fürchtete, sie würde ihn zurückweisen. Vincent tat jedoch nichts. Er hatte sich eine Pfeife angezündet und rauchte. Er hätte auch in seiner eigenen Küche sitzen können, so wenig Notiz nahm er von ihr. Das Schweigen hielt an, und sie wollte es nicht brechen.
Constance war erleichtert, als Peter zurückkehrte. Er war kaum im Zimmer, als Vincent aufstand und ging, ohne sich zu verabschieden. Peter fragte verwundert: »Ist irgend etwas nicht in Ordnung, ich meine, mit ihm?« Doch Constance antwortete nur: »Nein. Es ist nichts.«
7
Am Donnerstag morgen sagte Constance zu Peter: »Wenn ich heute Abend nicht zurückkomme, mach dir keine Sorgen. Vielleicht schaffe ich es nicht, alles an einem Tag zu erledigen.«
»Gehst du auch dorthin?«
»Ja.«
Sie hatte sich abgewandt, und er sagte: »Du solltest nicht allein gehen, ich werde dich begleiten.«
»Ich möchte nicht, daß du mitkommst. Ich werde Tante Millie anrufen, sie wird mich begleiten.«
Dazu sagte er nichts, sondern fragte: »Und was dann?«
»Das weiß ich noch nicht.«
»Du meinst doch nicht etwa, daß du …«
»Peter.« Sie stand mit dem Rücken zu ihm und hatte den Kopf gesenkt. »Was immer auch passieren mag, ich werde hier wohnen.« Sie zog ihre Handschuhe an und fügte hinzu: »Es ist reichlich zu essen da. Ich … ich werde noch etwas einkaufen.«
»In deinem Zustand kannst du nicht Auto fahren. Die Straßen sind im Übrigen vereist.«
»Ich werde schon zurechtkommen, mach dir keine Sorgen.« Sie drehte sich um und sah ihn ohne zu lächeln an. »Paß auf dich auf. Wenn wir uns später nicht mehr sehen, dann bis morgen. Komm nicht mit raus.«
»Ich geh mit dir runter«, widersprach er und zog seinen Mantel an. »Wenigstens bis zum Auto. Vielleicht springt es gar nicht erst an.«
Das Auto machte tatsächlich Probleme, und als es endlich angesprungen war, winkte Constance Peter zum Abschied zu und fuhr vorsichtig die vereiste Straße hinunter.
Wegen der Straßenverhältnisse brauchte sie fast zwei Stunden bis zu dem Bungalow, der in einem Vorort von Low Fell lag. Bevor sie ausstieg, blieb sie noch für einen Augenblick im Wagen sitzen, um Kräfte zu sammeln für den Fall, daß Jim zu Hause war. Aber als sie das Haus betrat, wußte sie sofort, daß er nicht da war. Die Wohnung war ein Spiegelbild seiner Wut. In der Küche stand überall schmutziges Geschirr herum. Im Eßzimmer, das sie für ihn in ein Arbeits- und Schlafzimmer verwandelt hatte, standen die Türen des Kleiderschrankes offen, und die Schubladen der Kommode waren herausgezogen worden. Sein Koffer aus Schweinsleder war verschwunden. Constance versuchte erst gar nicht, Ordnung in das Chaos zu bringen, sondern machte sich stattdessen eine Tasse Kaffee. Dann stieg sie wieder ins Auto und fuhr zu Millie.
Als Millie die Tür öffnete, rief sie überrascht: »Ach, Connie! Das ist aber eine Überraschung. Ein glückliches Neues Jahr, Mädchen. Komm herein, komm herein. Oh, bin ich froh, dich zu sehen. Es … es kommt mir vor, als wäre es Jahre her. Was möchtest du trinken – Tee? Oder lieber Kaffee?«
»Nein, danke, Millie, ich habe gerade erst Kaffee getrunken.«
Millie setzte sich auf den Rand eines Stuhles und sah Constance aufmerksam an. »Du bist dünner geworden, wenn das überhaupt noch möglich ist, und du bist bleich wie ein Bettlaken.«
»Ich hatte die Grippe … Wie geht es dir, Millie? Und … und Harry?«
»Ach, was erwartest du? Schönfärberei hat keinen Sinn, oder? Was mich betrifft: Es ist ruhiger geworden, friedlicher alles in allem, bis er zum Tee nach Hause kommt. Und dann sein Gesicht! Ich kann mir noch so sehr vornehmen, mir keine Sorgen mehr zu machen, sein Anblick nimmt mir den Mut. Wenn es ihm dadurch besser ginge, würde ich Ada sogar zurückholen. Aber, weißt du, Connie, ich bezweifle, daß er sie überhaupt reinlassen würde.«
»Hast du sie seitdem nochmal gesehen?«
»Nein, sie ist mir nicht über den Weg gelaufen, Connie, obwohl sie in der
Weitere Kostenlose Bücher