Das Haus im Moor
Stadt ist. Susan hat sie gesehen. Sie ist neulich in Bens Laden gewesen, sagt Susan, und offensichtlich ist sie knapp bei Kasse. Ben hat ihr ein paar Sachen geschenkt, und sie hat es nicht abgelehnt … Ich mache mir Sorgen deswegen: Hat sie genug zu essen, hat sie genug Geld? Andererseits, wenn ich daran denke, wie abgebrüht sie ist, kann ich mir nicht vorstellen, daß sie knapp bei Kasse ist, wirklich nicht … Aber … aber wie geht es dir denn eigentlich? Du steckst in Schwierigkeiten, Connie, stimmt’s?«
»Ich habe mich gefragt, ob du wohl mit mir kommen würdest, Millie. Ich möchte in die Quilter Street.« Sie starrte in das lodernde Feuer, das im Kamin brannte. »Peter hat herausgefunden, daß Jim sich dort mit jemandem trifft. Er ist ihm einige Male gefolgt. Aber wenn ich ihn nur damit konfrontiere, was Peter sagt, wird er es leugnen. Er ist an Neujahr nach London gefahren. Ich … ich glaube nicht, daß er viel hat unternehmen können, seit er weg ist. Er hatte eine fürchterliche Szene mit Peter, oben im Haus. Peter hat ihn mit einem Messer angegriffen.«
»O mein Gott, Mädchen!«
»Ich muß es mit eigenen Augen sehen, Millie, dann werde ich wissen, was ich zu tun habe.«
»Ach, Mädchen.« Millie stand auf und legte den Arm um Constances Schultern. »Ich hatte gedacht, das alles wäre schon längst vorbei.«
»Ich wußte, daß es nie vorbei sein würde. Solange er atmet, wird es nicht vorbei sein … Kommst du mit mir, Millie?«
»Ja, natürlich.«
»Hast … hast du nichts zu tun? Ich meine, du hattest nichts anderes vor …?«
»Vorhaben? Ich habe so viel Zeit, daß ich schreien könnte. Natürlich gehe ich mit dir. Und ich freue mich so, dich zu sehen! Ich habe dich vermißt.« Millie lächelte Constance zu, und Constance erwiderte: »Ich habe dich auch vermißt, Millie.«
»Ich hole nur meinen Hut und den Mantel.«
Constance brauchte nur fünfzehn Minuten, dann hatte sie das Haus Nummer achtzehn in der Quilter Street gefunden. Es war eine kurze Straße, genau wie Peter sie beschrieben hatte. Constance parkte den Wagen, wechselte einen Blick mit Millie, und die beiden Frauen stiegen aus. Sie klopften an die Haustür. Constance schlug das Herz bis zum Hals.
Gedämpftes Lachen war zu hören, dann näherten sich Schritte.
»Ja? Was wünschen Sie?«
Constance verschlug es die Sprache, als sie das Mädchen mit dem Babygesicht sah. Seiner Aufmachung nach zu urteilen war es etwa neunzehn, aber am Gesicht sah man, daß es höchstens siebzehn war. Die Lider waren wie die Wimpern schwarz geschminkt, der Schmollmund mit hellbraunem Lippenstift bemalt, und das helle Haar war am Hinterkopf hoch aufgesteckt.
»Ich habe nach Ihren Wünschen gefragt.«
»Sind Sie Miss Vagus?«
»Ja. Und?« Die Stimme klang genauso gewöhnlich wie ihre Besitzerin aussah.
»Ich möchte gern mit Ihnen sprechen. Kann … kann ich für einen Augenblick hereinkommen?«
»Ich wüßte nicht, warum. Wer sind Sie denn eigentlich?« Ihr Blick wanderte von Constance zu Millie und dann wieder zurück. »Wenn Sie irgend etwas verkaufen wollen, ich brauche nichts. Meine Küche ist so voll, daß ich selbst kaum noch hineinpasse. Sie sind doch nicht die, die neulich hier war und Make-up und Korsetts und so’n Zeug verkaufen wollte, nicht wahr?« Das Mädchen drehte sich um und rief in den Flur: »Ist das die, die neulich wegen der Korsetts hier war, Ada?«
Als eine Gestalt am Ende des Flurs auftauchte, stöhnten Constance und Millie gleichzeitig auf. Dann schob Millie das Mädchen zur Seite, trat durch die Tür und starrte ihre Tochter an. Sie schüttelte den Kopf und sagte langsam: »Also, du … O Gott!«
»Was soll das heißen?« Adas vorstehender Bauch zeichnete sich deutlich unter dem wollenen Hemd ab, und sie zog den Rockbund hoch und brüllte: »Was soll das heißen? Was hast du denn hier zu suchen?«
»Wer ist das? Was soll das alles?« Das andere Mädchen stand jetzt neben Ada. »Wer ist das denn? Doch nicht die mit den Korsetts, nicht wahr?«
Ada sah das Mädchen an und warf den Kopf zurück. Dann zeigte sie auf Millie und sagte: »Das ist meine Mutter.«
»Oh. Jetzt verstehe ich.« Das Mädchen kicherte. »Also, wir sollten nicht hier stehen bleiben, als ob wir vor der Wäscherei Schlange stehen. Gehen wir hinein.«
Millie und Constance folgten Ada ins Haus. Constance betrachtete die billige Einrichtung und nahm an, daß sie wahrscheinlich von ihrem Geld gekauft worden war. »Wir sind nicht wegen Ada
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