Das Haus in den Dünen
Monika. »Außerdem noch zwei Kollegen von der Fahndung. Aber solange Bergen auf der Intensivstation liegt, kommt niemand an ihn heran. Das Wachzimmer ist vom restlichen Bereich des Krankenhauses abgeschirmt. Zurzeit ist er außer Gefahr. Wir haben nur die Streife abgezogen, damit unser Täter den Braten nicht riecht.«
»Außerdem wird die Ostfriesen-Zeitung morgen von einem bewaffneten Überfall auf Langeoog berichten«, fügte Dietmar hinzu. »Darin wird es heißen, dass die Polizei davon ausgeht, ein Räuber habe sich die Eintrittskasse des Turmmuseums verschaffen wollen und den falschen Zeitpunkt erwischt.«
Beck zog die Stirn kraus. »Wenn das nur gut geht. Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl dabei. Der Kerl geht über Leichen und ich war erst gestern auf der Beerdigung eines Kollegen.«
Monika schaute auf die Uhr über der Tür des Konferenzraumes. Es war kurz nach Mitternacht. »Wir treffen uns morgen um zehn Uhr. Die Klinikleitung hat uns verbindlich zugesagt, Bergen nicht vor dieser Zeit auf sein Zimmer zu verlegen.«
»Und wie lange, denken Sie, wird diese Aktion dauern?«, fragte Beck.
»Martin meint, dass der Täter innerhalb weniger Tage zuschlagen wird. Im Pressebericht wird stehen, dass sein Opfer die nächste Woche im Krankenhaus zubringen wird, bevor er auf Reha muss. Wir wollen ihn damit zu einer schnellen Aktion zwingen und ausschließen, dass er sich Chancen ausrechnet, Bergen in nächster Zeit wieder auf der Straße zu begegnen.«
»Ich weiß nicht, ich weiß nicht«, lamentierte Beck. »Eine Klinik als Einsatzort, das halte ich für keine gute Idee. Vielleicht sollten wir erst mit Frau Schulte-Westerbeck darüber reden. Wenn da etwas schief geht, können wir alle unseren Hut nehmen.«
Monika Sander blickte Beck unverwandt an. »Wir wissen nicht, wie viele Menschen noch auf der Todesliste des Mörders stehen. Er ist bislang gezielt und koordiniert vorgegangen und hat so gut wie keine verwertbaren Spuren hinterlassen. Jetzt hat er einen Fehler gemacht und das zwingt ihn zu einer unüberlegten und unvorbereiteten Aktion. Schon bei Grevesand hat er seinen sicheren Weg verlassen und einen schweren Unfall in Kauf genommen. Wir bekommen ihn nur auf diesem Weg – oder wollen Sie für Bergen Personenschutz für die nächsten Wochen und Monate organisieren? Wenn wir diese Chance nicht nutzen, finden wir den Kerl vielleicht nie. Und eine ungeklärte Serie schlägt mindestens genauso negativ zu Buche wie eine Aktion in einem Krankenhaus. Zumal wir diesmal den Ort bestimmen und rechtzeitig mit allen Eventualitäten planen können.«
»Ihr Wort in Gottes Ohr«, seufzte Beck. »Also gut, dann gehen wir es an. Aber seien Sie um Himmels Willen vorsichtig.«
*
Sie faltete die Zeitung zusammen und bestellte sich einen weiteren Cappuccino. Die warme Morgensonne strich über ihr Gesicht. Der Wetterbericht hatte einen warmen, sonnigen Tag angekündigt. Sie blickte in den blauen und wolkenlosen Himmel. Einen weiteren Fehler wie gestern durfte sie sich nicht leisten. Sie stand nahe am Abgrund. Aber sie würde diesmal ihre Chance nutzen.
Wenn sie dem Bericht in der Zeitung Glauben schenken konnte, dann tappte die Polizei auf Langeoog im Dunkeln. Sie gingen von einem versuchten Raubüberfall aus und suchten einen schlanken Mann mit durchschnittlicher Größe und wohl auch durchschnittlichem Alter. Keine Beschreibung, wegen der sie sich Sorgen machen musste. In der Zeitung hatte gestanden, in welche Klinik das Opfer eingeliefert worden war. Bergen war schwer verletzt worden. Das würde ihr vielleicht die Aktion ein wenig erleichtern. Sie wollte es endlich zu Ende bringen.
Die Gefahr, dass sie ihr auf die Schliche kamen, wurde mit jedem Tag ein klein wenig größer. Ein weiterer Fehler war gewesen, die verräterische Kleidung auf Langeoog einfach wegzuwerfen, statt sie zu verbrennen. Wenn die Polizei sie fände, gäbe sie ihr sicher genügend DNA-Material. Und ein genetischer Fingerabdruck verriet das Geschlecht des Täters. Und mehr. War man erst einmal in Verdacht geraten, zählte er mittlerweile vor den Gerichten als schlüssiger Beweis. Ein Freund der Familie hatte damals bei der Kripo in Würzburg gearbeitet, daher wusste sie, wie Polizisten vorgingen und mit welchem Druck sie einen Mörder jagten. Die Polizei würde alles unternehmen und jeglichen Aufwand betreiben.
Der Kellner stellte den Cappuccino auf ihren Tisch und lächelte ihr freundlich zu.
»Ich zahle dann bitte«, sagte sie.
Der Kellner
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